Zugegeben, es gibt diese Sportler, die mit Phrasen nur so um sich schmeißen – auch im Radsport. Am Ende hat der Schnellste gewonnen, klar. Und die Beine sind momentan nicht gut, auch klar. Ivan Centrone gehört nicht zu diesen Profis. Im Gespräch mit dem Tageblatt wirkt der 25-Jährige klar, fokussiert und sehr motiviert. Die Motivation, die er momentan versprüht, gilt vor allem einem Ziel: dem Sprung in die WorldTour.
„Ich brauche kein Glück“, erklärt Centrone. „Aber auf jeden Fall brauche ich auch kein Pech“, fügt er schmunzelnd hinzu. „Man kann das beste Rennen seines Lebens machen, vorne liegen – und dann zwei Kilometer vor dem Ziel einen Platten haben. Ich möchte einfach kein Pech haben, um den Rest kümmere ich mich selbst.“ Zwar hat er mit seinen 25 Jahren noch ein wenig Zeit, den Sprung in höhere Klassen zu schaffen, doch beruhigt lasse er das alles nicht angehen. „Aber ich mache mir auch keinen Druck. Im Radsport ist es schwer, etwas zu planen und langfristig in die Zukunft zu blicken. Man muss so hart trainieren, wie es geht und es mit Leistungen dann nach oben schaffen.“
Die Basis für das Ziel WorldTour hat Centrone im letzten Jahr und in diesem Winter gelegt. 2020 war sein erstes Jahr als Profisportler bei Natura4Ever – Roubaix Lille Métropole (seit 2021 heißt das Team Xelliss – Roubaix Lille Métropole). Der Start in die neue Saison verlief für den Luxemburger beinahe optimal. „Ich war in der Form meines Lebens. Beim GP Jean-Pierre Monseré (1.1) fuhr ich über fast 200 Kilometer, bei sechs Grad und Regen, vorne mit. Diese Bedingungen liegen mir eigentlich gar nicht.“ Bei dem Rennen, das am Ende Fabio Jakobsen (Deceuninck-Quick Step) für sich entschied, kam Centrone zeitgleich mit dem Niederländer als 30. ins Ziel.
Fehlender Rennrhythmus
Gerade weil er sich in einer guten Verfassung befand, kam die fünfmonatige Pause durch das Coronavirus zu einem ungünstigen Zeitpunkt. „Jeder Radsportler war in der gleichen Situation. Es lag also nur an mir, seriös und hart zu trainieren – das habe ich auch getan.“ Im August nahm er das Renngeschehen bei der Tour de l’Ain (2.1) wieder auf, die Primoz Roglic (Jumbo-Visma) vor Egan Bernal (Ineos) gewann. Bei dem dreitägigen Etappenrennen durfte er sich nach dem ersten Tag das Bergtrikot überstreifen.
Auch die folgende Tour de Luxembourg verlief erfolgreich. Als 20. in der Gesamtwertung klassierte er sich als bester Einheimischer. „Es war eine halbe Saison, mir haben fast fünf Monate gefehlt, die sehr wichtig für meine Entwicklung gewesen wären.“ Zum Jahresende bestätigte der Leudelinger seine Form nochmals mit einem zwölften Platz bei Paris-Camembert (1.1).
Gerade hinsichtlich seiner Entwicklung wollte Centrone in diesem Winter noch einmal zulegen. Doch die ganze Sache um das Coronavirus geht nicht spurlos an ihm vorbei. „Ich bin mental ein sehr starker Mensch“, erklärt er. „Ich weiß, dass man Traurigkeit mit dem eigenen Kopf lösen kann. Mit dem Coronavirus ist das irgendwie anders und komplizierter. Im November habe ich das gespürt, als Bars, Restaurants und Fitnesscenter zugemacht wurden. Bei der Dunkelheit die ganze Zeit zu Hause zu bleiben, das hat mich mitgenommen.“
Selbstbewusst und fokussiert
Weil die Trainingsbedingungen in Luxemburg sich mit der Zeit verschlechterten, entschied sich Centrone, ins Trainingslager nach Calpe (E) zu fahren. Vom 4. bis zum 22. Dezember trainierte er bei 20 Grad in der spanischen Sonne. „Ich habe dort einen Sprung gemacht, das war sehr wichtig. Heutzutage kann man alles mit Werten überwachen. Die Werte stimmen mich positiv, bei den Rennen vorne mitzufahren, bei denen ich starte. Ich weiß, was ich kann und wo ich dran bin. Momentan habe ich viel Selbstvertrauen.“
Bis zum 18. Januar trainierte er dann in Leudelingen. Zurzeit befindet er sich mit seiner französischen Mannschaft im Trainingslager in Draguignan. 20 Kilometer entfernt von Nice bereitet er sich auf das erste Rennen der Saison, den GP Marseille (1.1), der am Sonntag stattfindet, vor. Danach wird er bei der Etoile de Bessèges – Tour du Gard (2.1), Tour de la Provence (2. Pro), eventuell bei der Tour des Alpes Maritimes et du Var (2.1), dem Drome Classic (1. Pro) und der Ardèche Classic (1.Pro) starten. Im Mai könnte er dann außerdem an den 4 Jours de Dunkerque (2. Pro) teilnehmen.
Über eine Teilnahme am olympischen Radrennen hat sich Centrone nicht viele Gedanken gemacht. „Nein, außer ich habe diese Saison einen Durchbruch und gewinne fünf Rennen am Stück“, schmunzelt er leicht. „Für mich scheint das sehr unrealistisch. Aber vielleicht in vier Jahren, wer weiß.“ Vielleicht gehört Centrone dann auch der WorldTour an, denn er weiß: „In diesem Jahr liegt der Ball auf meiner Seite. Ich muss zeigen, was ich kann. Der Rest kommt von alleine.“
Steckbrief
Geburtsdatum: 17. September 1995
Wohnort: Leudelingen
Teams: 2015-2019 Team Differdange, seit 2020 Roubaix Lille Métropole
Größte Erfolge:
3. Platz Gemenc Grand Prix 2019 (1.2)
12. Platz Paris-Camembert 2020 (1.1)
20. Platz Tour de Luxembourg 2020 (2.Pro)
4. Platz Straßenrennen der Landesmeisterschaften 2017
Vorläufiges Rennprogramm
31. Januar: Grand Prix Cycliste la Marseillaise (1.2)
3.-7. Februar: Etoile de Bessèges – Tour du Gard (2.1)
11.-14. Februar: Tour de la Provence (2. Pro)
19.-21. Februar: Tour des Alpes Maritimes et du Var (2.1)
27. Februar: Drome Classic (1. Pro)
28. Februar: Faun-Ardèche Classic (1. Pro)
4.-9. Mai: 4 Jours de Dunkerque (2. Pro)
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