Millionen kannten ihn vor allem zu zweit. „Frontal“-Moderator Ulrich Kienzle bildete mit seinem Kollegen Bodo Hauser in den 90ern eines der bekanntesten Gespanne der deutschen TV-Geschichte. ZDF-Mann Kienzle, der Mann mit dem markanten dichten Schnauzer. Neben ihm Hauser, der umso weniger Haare auf dem Kopf hatte. Legendär ist bis heute der „Reißwolf“, ein Aktenvernichter, dem die beiden abwechselnd die seltsamsten Tickermeldungen der Woche zum Fraß vorwarfen. Hauser ist schon lange tot. Am Donnerstag ist nun auch Ulrich Kienzle gestorben, einer der renommiertesten deutschen Nahost-Experten. Er wurde 83 Jahre alt.
Es war ein Interview mit einem Diktator, das Kienzle 1990 bekannt machte. Der damalige ARD-Nahost-Korrespondent saß Saddam Hussein gegenüber und befragte ihn über die irakische Besetzung des kleinen Nachbarstaats Kuwait. Es war eines der seltenen Interviews des Despoten von Bagdad. Kurze Zeit später brach der Zweite Golfkrieg aus, die USA kamen Kuwait zu Hilfe. „Dieses Interview ging um die Welt“, sagte Kienzle vor einigen Jahren. Für ihn war es der bedeutsamste Moment seiner Karriere gewesen.
Mit dem 2004 gestorbenen Hauser hatte er von 1993 bis 2000 das ZDF-Politikmagazin „Frontal“ moderiert und sich Wortduelle geliefert. Regelmäßig stritten sie über kontroverse Themen vor der Kamera. Kienzle als profilierter SPD-Mann, Hauser als klarer Anhänger der CDU. Legendär wurde der „Reißwolf“, ihr ritueller Satz „Noch Fragen, Kienzle?“ geriet zum geflügelten Wort. Zumeist konterte Kienzle mit „Ja, Hauser“ und einem letzten Wortwechsel. Tatsächlich war das Verhältnis der beiden rein beruflich, wie Kienzle einmal erzählt hat.
Ulrich Kienzle wurde am 9. Mai 1936 im baden-württembergischen Neckargröningen bei Ludwigsburg geboren und lebte zuletzt nach Angaben seiner Sprecherin in Wiesbaden. Seine erste Karriere bei der ARD begann er beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart.
Der Nahe Osten habe ihn nie losgelassen, er sei stets bestens informiert gewesen, sagte Kienzles Managerin gestern. 2017 veröffentlichte er als letzten seiner vielen Beiträge zum Thema das Buch „Tödlich Naher Osten“ und ging damit auf Lesereisen.
„Meine Zeit im Nahen Osten war eine harte Schule, besonders der Bürgerkrieg im Libanon“, berichtete Kienzle einst. „Man konnte als Journalist nicht einfach irgendwo anrufen und sagen: Erklären Sie mir das mal. Man musste dorthin gehen, wo es die Informationen gab.“ Und die gab es meistens dort, wo es Kugeln hagelte und Leichen Teil der Szenerie waren. 1975 interviewte er den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi in einem Wüstenzelt, dreieinhalb Wochen musste er darauf warten. Im Libanon wurde er von palästinensischen Banditen überfallen. Kienzle griff in der Not zu einer üblen Beleidigung und kam gerade noch davon. Er war ein Ausnahme-Journalist – bis zuletzt. (dpa)
Kientzele und Hauser hab ich nie verpasst, ähnliches gibt es Heute
von Augstein & Blome