In den letzten Wochen standen in dieser Kolumne Sarkasmus, Witz und Anekdoten an erster Stelle. Heute nehmen wir uns jedoch Zeit für ein deutlich ernsthafteres Thema.
Vor der Weltmeisterschaft gab es die Befürchtung, dass Hooligans Russland in ein Schlachtfeld verwandeln würden. Wladimir Putins furchteinflößende Polizeitruppen und die angekündigten drastischen Maßnahmen haben dies jedoch verhindert.
Doch seit einigen Tagen grassiert die Angst vor einer ganz anderen Gattung. Die Sexisten Russlands haben sich vereint und überbieten sich gegenseitig mit frauenfeindlichen Aussagen.
Den Machos westlich und östlich der Wolga passt es nicht, dass Natascha, Irina und Olga sich so gut mit den ausländischen Gästen verstehen. Erzkonservative, verstaubte Schriftsteller wie Platon Bessedin wurden von einem Moskauer Boulevardblatt ausgepackt, um über die «Zeit der Nutten» zu schreiben. Die Beine werden laut ihm zu oft für die Ausländer breitgemacht.
Vielleicht liegt es aber auch an solchen Aussagen und Verhaltensweisen, dass sich russische Frauen von ihren Machos entfernen und andere Kulturen schätzen lernen.
Bessedin und seine Sinnesgenossen werden in Russland sogar durch die Politik unterstützt. Im März 2017 unterzeichnete Putin ein Gesetz, das die Strafe für häusliche Gewalt verringert, und förderte damit die im WM-Land stark ausgeprägte patriarchalische Gesellschaft. Dabei wäre genau das Gegenteil angebracht. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen sterben jährlich zwischen 12.000 und 14.000 Frauen an den Folgen von Gewalttaten in den eigenen vier Wänden.
Die #MeToo-Bewegung – auf Russisch #yatozhe – kommt in Russland nur sehr langsam ins Rollen und wird sehr kritisch gesehen. Frauenrechtlerinnen müssen nicht selten fürchten, im Gefängnis zu landen.
Diese WM hat auch gezeigt, dass Russland mit diesem Problem nicht alleine dasteht. In Saudi-Arabien dürfen Frauen nicht ins Stadion, im Iran nur mit einer Ausnahmegenehmigung.
Fußball ist und bleibt nur eine (große) Randerscheinung, legt aber wieder einmal gesellschaftliche Probleme offen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Revolutionen oft im Fußballstadion stattfinden können, weil das öffentliche Interesse auf diese Events gerichtet ist.
Natascha, Irina und Olga, es ist Zeit für eine gesellschaftliche Perestroika.
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