Headlines

Tageblatt-WM-Kolumne: Everybody’s darling

Tageblatt-WM-Kolumne: Everybody’s darling

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Eine Weltmeisterschaft ohne Rüpel wäre wie Bier ohne Alkohol: sicherlich möglich, aber wenig erstrebenswert. Es ergäbe einfach keinen Sinn, auf brachiale Gewalt, Blutgrätschen und abgebissene Körperteile zu verzichten. Beispiel gefällig? An den hungrigen Suarez von 2014 erinnern wir uns doch alle gern. Bei Zahnarzt Hallgrímsson – der in seiner Freizeit Island coacht – und dessen kieferorthopädischen Kollegen klingeln bereits die Kassen.

Sergio Ramos gilt als Musterschüler dieser Anti-Fair-Play-Regelung – die auf Anordnung von Putin höchstpersönlich ins Leben gerufen worden ist. Politische Korrektheit, Anti-Doping-Haltung und dieses ganze lästige Getue von wegen Respekt und Toleranz? Solche altmodischen Gepflogenheiten sucht man während der nächsten vier Wochen eben am besten anderswo in Europa. Der russische Staatspräsident, der aus seiner Liebe zum Judosport nie ein Geheimnis gemacht hat, weihte den Real-Verteidiger nicht ganz uneigennützig sieben Tage vor dem Champions-League-Finale in die Kunst des Armblocks ein: Knick, Knack, Schulter ab. Der totale Salah-K.o. scheiterte zwar, doch immerhin wird der angezählte Held einer ganzen Nation morgen gegen die Putin-Elf wohl nicht mehr in der Form seines Lebens sein.

Ramos ist der personifizierte Sensenmann. Kurzum, ein fußballerischer Poet, gefangen im Körper eines gestandenen Knacki auf zweistündigem Freigang wegen Vollzugslockerung. Einstweilige Verfügungen gibt es mittlerweile intern ja auch schon zwei gegen den Brutalo-Verteidiger: Einen Mindestabstand von hundert Metern muss er bei offiziellen Auftritten von Verbandspräsident Rubiales einhalten, dem er nach der Blitz-Entlassung von Lopetegui verbal eins auf die Nase verpasst hat.

Dann wäre da auch noch Torwart De Gea, der sich während der Nationalhymne am Freitag eine Schulterprellung zugezogen hat, als ihm Ramos den Arm übergelegt hat. Warum wäre dem erfahrenen Keeper wohl sonst dieser spätere Patzer unterlaufen? Nicht einmal mehr die Schiedsrichter wollen das Risiko eingehen und sich beim obligatorischen Handshake mit dem Kapitän die Mittelhandknochen zersplittern lassen. Ob diese lästige Tradition nun endlich auch dank Ramos abgeschafft wird? Wir hoffen es.

Schwiegermuttis Lieblinge haben endgültig ausgedient, die Bad-Boys haben das Turnier fest im Griff. Es leben die Hinterhältigkeit und WM des gnadenlosen und ungepflegten Fouls!