In London wurden ein russisch-britischer Doppelagent und seine Tochter Opfer eines Angriffs mit einer chemischen Substanz. Die Auftraggeber sind den Ermittlungsbehörden in London anscheinend bekannt. Moskau soll sich entschuldigen, forderte die britische Premierministerin ultimativ am Montag. Dass der Kreml der Aufforderung nicht nachkommen würde, hatte sie wohl erwartet. Wofür sollte sich jemand entschuldigen, wenn dem Angeklagten stichhaltige Beweise vorenthalten werden?
Übrigens setzte sich einer der Mitbeteiligten bei der Entwicklung des identifizierten Giftes, Wil Mirsajanow, laut Novaya Gaseta in den 1990ern in die USA ab, sodass die Substanz auch in US-Labors zu Testzwecken zusammengemischt wurde. Zur Erinnerung: Die Novaya Gaseta gilt bei uns als eine der wenigen unabhängigen, «systemkritischen» Zeitungen Moskaus. Aber das nur am Rande.
Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass uns alle für dumm, ja sogar saublöd halten. Aber vielleicht sieht nur der Autor dieser Zeilen eine Verbindung zu den zufällig am kommenden Sonntag stattfindenden Präsidentschaftswahlen und der in knapp vier Monaten geplanten Fußball-Weltmeisterschaft. Das Russland-Bashing, das mit den vermeintlichen Wahlmanipulationen in den USA begann, erlebt dieser Tage einen traurigen Höhepunkt. Das Ziel ist klar: Putin-Russland soll destabilisiert werden, insbesondere seine Bürger. Sie sollen zur Konkurrenz gedrängt werden oder am besten wegen mangelnder geeigneter, stramm westlich orientierter Kandidaten überhaupt nicht zur Wahl gehen.
Erwartungsgemäß schlagen sich die USA auch dieses Mal auf die Seite ihres traditionellen europäischen Schoßhündchens an der Themse. Befremdlich hingegen sind die übereilten Solidaritätsbekundungen aus Berlin und Paris. Das umso mehr, als seit Beginn der neu entfachten Russophobie, oder besser Putinophobie, eines deutlich wurde: Wer sich an dem «Zaren» vergreift, trägt bloß dazu bei, die Reihen um diesen zu festigen. Das «Alle gegen Russland» ist der beste Zement einer mit den wirtschaftlichen und politischen Widrigkeiten des Alltags kämpfenden russischen Gesellschaft. Putin mag tatsächlich kein «lupenreiner Demokrat» sein, doch am Sonntag wird ihm der Sieg sicher sein, auch dank westlicher Wahlhelfer.
Très bien!