Gleich zwei Beispiele sind in Old Europe zu beobachten, bei denen jeweils Fremdenfeindlichkeit das zentrale Element ist, dessen sich in dem einen Fall bedient und das in dem anderen zumindest geduldet wird.
Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu
Im ersten Fall geht es um den wahlkämpfenden französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Am vorigen Wochenende ließ er sich dazu hinreißen, den Austritt Frankreichs aus dem Schengen-Raum anzudrohen, wenn nach seiner Wiederwahl nicht binnen eines Jahres das Abkommen über die offenen Grenzen reformiert werde. Das klingt erst einmal forsch, so als würde man sagen: Wenn die Griechen nicht sparen, fliegen sie aus der Eurozone. Beides aber ist Unsinn und kann nur von solchen kommen, denen mehr am Zündeln als an einer Suche nach gangbaren Lösungen gelegen ist. Dass Ersteres in der Absicht des französischen Präsidenten liegt, ist klar. Denn rechts von ihm tummelt sich noch ein breites Wählerpotenzial, das er der rechtsextremen Marine Le Pen abspenstig machen will.
Und diese Wähler wollen solch markige Sprüche hören, dass man es leid sei im Lande mit diesen Immigranten, die ja nur darauf aus sind, sich auf Kosten der französischen Sozialversicherungen ein behagliches Auskommen zu sichern. Wenn man einfach wieder mal die Grenzen dicht macht, dann können die bleiben, wo sie sind. Solches und ähnliches mehr schwingt mit in Sarkozys Ruf, ohne dass er es auch aussprechen muss. Jeder weiß, was gemeint ist. Immerhin hatte er bereits einige Tage zuvor angekündigt, dass er die Zahl der Einwanderer nach Frankreich halbieren wolle.
Rote Linien überschritten
Der zweite Fall betrifft die Niederlande, wo seit geraumer Zeit die rechtsextreme Partei für die Freiheit von Geert Wilders eine Website und eine Hotline eingerichtet hat, über die niederländische Bürger Beschwerde führen können. Und zwar gegen Zuwanderer aus mittel- und osteuropäischen Ländern: Polen, Tschechen, Rumänen, Bulgaren … Dabei werden klare Vorgaben gemacht, über was sich da beschwert werden soll, nämlich über Probleme, die Menschen aus diesen Ländern im Zusammenhang mit Drogenkonsum, Prostitution, Kriminalität, Alkoholismus und der Entsorgung von Hausmüll verursachen würden. Nun verhält es sich so, dass sich die niederländische Regierung in der Person ihres Chefs Mark Rutte weigert, diese Widerwärtigkeit der Wilders-Partei klar und deutlich zu verurteilen. Der Rechtsliberale beschränkt sich bei entsprechenden Aufforderungen darauf, hinzuweisen, dass es sich nicht um die Meinung der Regierung handele und diese nichts mit dieser Website zu tun habe. Allerdings lässt sich die rechtsliberal-christdemokratische Regierungskoalition im Parlament von Geert Wilders und seinen Mannen unterstützen, woraus ersichtlich wird, warum der niederländische Regierungschef es tunlichst vermeidet, Kritik an der PVV-Website zu üben.
Nun aber, wo bleibt der Protest der anderen, der Kollegen aus den eigenen Reihen? Gibt es keinen Gruppendruck etwa im Europäischen Rat, der deutlich machen könnte, dass hier rote Linien überschritten werden, die gemeinsam festgelegt wurden? Müsste die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sich nicht doch noch überlegen, ob es wirklich angebracht ist, den Populisten in Paris zu unterstützen? Und wäre es nicht die Aufgabe von Herman Van Rompuy in dem von ihm präsidierten Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs, dem niederländischen Mitglied ein deutliches Bekenntnis gegen die Machenschaften der PVV abzuverlangen, so wie es übrigens das Europäische Parlament in einer jüngst verabschiedeten Resolution fordert?
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