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Wetten, dass es kommt?

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Nicolas Sarkozy ist der achte und vielleicht auch nicht der letzte Regierungschef, der seit Beginn der Finanzkrisen per Wahl abgedankt worden ist. Auch wenn es bei Sarkozy nicht nur an der Finanzkrise gelegen haben mag.

Da nun wohl kaum davon auszugehen ist, dass sie allesamt völlig unfähig waren, muss etwas anderes schiefgelaufen sein. Und das hat mit Europa zu tun.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Oder besser mit dem, wie sich Europa gibt. Die Politiker, nicht nur die bereits abgewählten, haben im Zuge der Finanzkrisen natürlich zuallererst versuchen müssen, Schaden von ihren Bürgern abzuwenden. Also wurden Finanzmechanismen gesucht, dies zu garantieren. Doch die Suche verlief umständlich, nahm Zeit in Anspruch und nervte. Irgendwann hatte man dabei den Eindruck, dass viele vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sahen. Dort ein A weg, hier ein B oder ein Doppel-C in sonst einer Ecke (wie viel hört man übrigens noch von diesem Finanzalphabet?), und schon wurde wieder hektisch aufgeschrien, wurden in Nachtsitzungen Rechnungen aufgemacht, in aller Öffentlichkeit Vorwürfe erhoben, Lehren erteilt. All dieser Krampf gebar dann einen Finanzmechanismus, einen sakrosankten, den anzutasten niemand wagen dürfe, wie es hieß. Europa, wirtschaftlich und finanziell ein Bollwerk, ein Prellbock gegen alle möglichen Angriffszenarien, woher auch immer sie kommen mögen. So sehr Bollwerk und Prellbock, dass das Konstrukt Europa zu einer Art ausgehöhltem Übergerüst wurde, kantig dem kalten Wind der Finanzwelt trotzend, reglos auf den neuen sich festigenden Finanzsockeln harrend.

Ein anderes Europa

Dabei hat man die Menschen vergessen. Statt dass diese aus den Wirren geeint und gestärkt hervorgegangen sind, hat das von zögerlich bis hektisch reichende Gebaren vieler Politiker mangels Überblick das Gegenteil bewirkt. Die Krise hat längst zugeschüttet geglaubte Gräben aufgerissen, ganze Nationen verbittert, ihre Ehre angekratzt. Die Bürger wurden in soziale Korsetts gezwungen. Abspecken, Maßhalten, Sparen auf Teufel komm raus, und vor allen Dingen nicht gegen die Besserwissenden aufmucken, heißen die neuen Gebote, die mühsam geschaffene Existenzen ruinieren, ganze Sozialsysteme aushebeln, hohe Arbeitslosigkeit schaffen, besonders schlimm bei den Jugendlichen.

Und nun, in all diesem trüben „Vor-sich-hin-Dümpeln“ in der Hoffnung auf baldiges Wirtschaftswachstum, dessen Entfaltungsmöglichkeiten man selber mit aller Austeritätsmacht zu Investitions-Zufallstreffern gemacht hat, kommt ein François Hollande daher und erinnert an ein anderes Europa. An ein Europa, nach dem Krieg aufgebaut, mit dem Ziel, gemeinsam den Kriegen ein für allemal Einhalt zu gebieten und allen Bürgern gleiche Chancen zu ermöglichen. Nicht ein Europa der Erstarrung, kein Europa des angstvollen Wartens auf weitere Finanz-Godots, nicht der Zögernden und Ausgrenzenden.

Der neue französische Präsident plädiert für ein Europa, das seine Geschicke wieder selber in die Hand nimmt, das gestaltet und Vorbild sein will, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, innen und nach außen hin.

Austerität sei keine Fatalität mehr, so Hollande gleich nach seiner Wahl. Er sprach – unglaublich – sogar vor seiner Wahl von Wachstum, von Beschäftigung, von Fortschritt, ja von Wohlstand. Und von der Jugend und ihrem Stellenwert in unserer Gesellschaft. Unglaublich auch, dass so einer nur einen Tag nach seiner Wahl von Obama eingeladen wird, dass Putin – selber seit Montag wieder als Präsident tätig – ihm gratuliert, dass China sich ausdrücklich gute Beziehungen zu ihm wünscht, diplomatische Besonderheit. Als ob sie, die die Entwicklung in Europa eng verfolgen, ebenfalls spürten, dass ein neuer Wind nötig ist, eine kräftige Brise der Hoffnung und der Gerechtigkeit, um in Europa voranzukommen. So wie dies besonders auch die Portugiesen sehen, die Iren, die Griechen, die Dänen, die Spanier, die Finnen oder die Italiener. Und viele andere Bürger in Europa, die der Perspektivlosigkeit tief unter dem Finanzgerüst leid sind.

Hollande will ein Wachstumspaket.

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