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Verdrehen, verschweigen

Verdrehen, verschweigen

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Entscheidungen, die man „aus dem Bauch heraus“ trifft, also Entscheidungen, bei denen man sich gänzlich auf ein Gefühl, auf eine „Vorahnung“ oder seine „Intuition“ (die weibliche ist bekanntlich fast sprichwörtlich) verlässt, erweisen sich immer wieder als die besseren.

Besser als möglicherweise Entscheidungen, die von langer Hand und akkurat unter Abwägung aller Kenntnisse und Unkenntnisse in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Handlung zustande kommen.

Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu

Aber eben nur oft, nicht immer.

In diversen Fällen, vor allem dann, wenn andere Personen betroffen sein oder sogar zu (physischem oder moralischem) Schaden kommen könnten, scheint es daher ratsamer, eine Entscheidung unter Berücksichtigung von vorhandenen Fakten zu treffen und nicht unbedingt dem Zufall zu überlassen. Es sei denn, man ist ein Spieler, einer, der bereit ist, zum eigenen Vorteil alle Risiken auf sich zu nehmen und dem – fern jeder Moral – Mittel und Wege, genau wie das Schicksal Dritter, egal sind. Bestes und prominentestes Beispiel für diese Spezies sind die vor allem in den vergangenen rund vier Jahren zu trauriger Berühmtheit gekommenen „Finanzjongleure“.

Die Frage „Bauchgefühl oder harte Fakten?“ stellt sich auf nationaler Ebene derzeit im Dossier Wickringen/Liwingen.

Die DP und „déi gréng“ haben im Rahmen von nicht nur einer Pressekonferenz nämlich teils sehr ernste Vorwürfe gegen verschiedene Regierungsmitglieder – gemeint sind Premier Jean-Claude Juncker, Innenminister Jean-Marie Halsdorf und Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké – erhoben.

Blufft die Opposition?

In einigen Punkten waren die formulierten Anschuldigungen wohl bewusst im Konditional gehalten („wenn dies so wäre, dann …“), in anderen Punkten, u.a. wo es darum geht, ob Halsdorf und Krecké bei der Sparkasse interveniert sind, um für den Wickringer Bauunternehmer bessere Bedingungen „auszuhandeln“, waren die Anschuldigungen dann aber schon affirmativer und konkreter. Dokumente, die ihre Behauptungen stützen würden, seien ihnen bekannt, erklärten die Oppositionsparteien selbstbewusst in diesem Zusammenhang.

Und als ob dies nicht genügen würde, haben sie gleich noch namentlich nicht erwähnte Zeugen genannt, die diverse Aussagen einer der beteiligten Promotore bezeugen könnten. Die Beweiskraft einer solchen Zeugenaussage scheint aber sehr gering, um nicht zu sagen null.

Es stellt sich also einfach die Frage, wie sicher die gegebenenfalls von den beiden Oppositionsparteien angesprochene Beweislage wirklich ist. Haben DP und „déi gréng“ genug in der Hand, um die beschuldigten Politiker in Erklärungsnot oder mehr zu bringen? Oder versuchen sie einfach nur, die sich bietende Chance zu ergreifen, um die Regierung, quasi auf gut Glück, aus dem Bauch raus, zumindest ein bisschen infrage zu stellen? Dünn wird die Luft für die Liberalen und Grünen dann, wenn sich herausstellen sollte, dass für die konkret formulierten Anschuldigungen keine entsprechenden Beweise vorgelegt werden könnten. Dann nämlich könnte der Tatbestand der Verleumdung erfüllt sein.

In allen anderen Fällen schadet der Vorstoß den Oppositionsparteien wohl nicht. Denn ob man nun mit ihnen auf einer Linie liegt oder nicht, ob Beweise für die Anschuldigungen vorliegen oder nicht: Der Aussage, dass in dieser Sache für Klarheit gesorgt werden muss, kann man nur beipflichten. DP und „déi gréng“ haben bislang zumindest (wohlgemerkt in diesem Dossier) ihre Rolle als Oppositionsparteien erfüllt.

Denn in diesem konkreten Fall geht es um mehr als nur um Einkaufszentren und Fußballstadien. Es geht um Prinzipielles. Um die Glaubwürdigkeit der Regierung und vielleicht sogar um die Glaubwürdigkeit der gesamten Luxemburger Politik. Die Luxemburger Regierung hat sich in besagtem Dossier nämlich bislang nicht unbedingt mit politischem Ruhm bekleckert, auch und vor allem indem sie – trotz bereits einer Anhörung vor dem Parlament – immer noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt hat.

„Am besten verdreht man die Tatsachen, wenn man sie verschweigt“, schrieb Jakob Augstein jüngst in der deutschen Wochenzeitung der Freitag (wenn auch in einem anderen Kontext). Hoffen wir, dass dies im Fall Wickringen/Liwingen nicht auch das Credo der Regierung ist.

Am Mittwoch werden wir ja (vielleicht) mehr wissen.