Headlines

Armstrongs Fall

Armstrongs Fall

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dass Frank Schleck bei der Tour de Suisse um den Gesamtsieg kämpfte, ging in der vergangenen Woche beinahe unter.

Zunächst war es die Tour-Absage von Andy Schleck, die die Öffentlichkeit in Atem hielt. Und dann kam ein weiteres Nachbeben in Sachen Lance Armstrong, das das Radsport-Denkmal nun endgültig von seinem Thron zu stoßen droht. Und mittendrin statt nur dabei ist das RadioShack-Nissan-Trek-Team, denn mit Armstrong sind der aktuelle RNT-Manager Johan Bruyneel und -Teamarzt Pedro Celaya von der US-amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada angeklagt.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Es ist nicht neu, dass sich Lance Armstrong Doping-Anschuldigungen ausgesetzt sieht. Zunächst bot seine Geschichte reichlich Stoff zur Legendenbildung. Er überwand seine Krebserkrankung und kehrte wie Phoenix aus der Asche als bester Radfahrer aller Zeiten zurück. Sieben Tour-de-France-Siege am Stück, das schaffte vor ihm keiner. Die Dominanz bei der Grande Boucle war zum Teil so gravierend, dass die Zweifler im dopingverseuchten Radsportzirkus früh am Denkmal zu rütteln begannen. 2004 erschien das Buch „L.A. Confidential“, in dem u.a. der frühere Toursieger Greg Lemond und Armstrongs frühere Physiotherapeutin Dopingvorwürfe erhoben. Es folgten weitere Anschuldigungen von Ex-Teamkollegen, zuletzt der selbst des Dopings überführten Floyd Landis und Tyler Hamilton. 2005 deckte zudem die Sportzeitung L’Equipe die positiven B-Proben aus dem Jahr 1999, als Armstrong die erste von sieben Frankreich-Rundfahrten gewann, auf.

UCI sitzt mit im Boot

Doch Armstrong schaffte es immer wieder, die Stürme mehr oder weniger schadlos zu überstehen. Selbst dann, wenn die Beweise erdrückend waren, leisteten seine Anwälte ganze Arbeit. Ob ihnen das auch diesmal gelingen wird, bleibt abzuwarten. Denn den Beschuldigten wird nicht mehr und nicht weniger vorgeworfen, als zwischen 1998 bis 2011 an einer regelrechten Doping-Verschwörung beteiligt gewesen zu sein, mit Dopingmitteln gehandelt und zum Dopingmissbrauch angeraten zu haben.

Neben Zeugenaussagen geht es in der Anklageschrift der Usada auch um eine konkrete positive Probe von Lance Armstrong aus der Tour de Suisse von 2001. Wobei die Anklageschrift in diesem Punkt richtig interessant wird. Denn dem Radsportweltverband UCI wird vorgeworfen, diese positive Probe vertuscht zu haben. Gleichzeitig musste die UCI zwei Spenden von Armstrong in Höhe von insgesamt 125.000 Dollar aus dem Jahr 2001 einräumen.

Die Usada stützt sich in ihrer Anklageschrift nicht nur auf „alte Kamellen“. Von positiven (Nach-)Proben aus den Comebackjahren 2009 und 2010 ist die Rede. Gestern wurde zudem eine Zahlung von 465.000 Dollar von Lance Armstrong an den Doping-Arzt Michele Ferrari bekannt. Pikant: Die Überweisung erfolgte 2006, obwohl Armstrong nach eigener Aussage 2004 die Zusammenarbeit mit Ferrari beendet hatte.

Sollte sich das alles bewahrheiten, dann ist das Denkmal Armstrongs endgültig eingestürzt, und mit ihm fällt sein langjähriger Mentor Johan Bruyneel, der spätestens dann untragbar für die Chefrolle im RadioShack-Nissan-Trek-Rennstall ist. Schließlich hat sich das Team eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Doping auf die Fahne geschrieben.

Für alle anderen dürfte Armstrongs Fall eine deutliche Warnung sein, denn auch Jahre später ist eine Überführung der Dopingsünder durch Nachproben möglich. Ob das im Interesse der Sportverbände ist, darf jedoch bezweifelt werden. Inzwischen ist im Spitzensport so viel Geld im Spiel, dass die Schattenseiten schon allein aus geschäftlichen Gründen gerne ausgeblendet werden. Und das bis in die höchsten Instanzen, wie die Zurückhaltung der UCI im Fall Armstrong zu beweisen scheint.

PS: In knapp sechs Wochen werden die Olympischen Spiele von London eröffnet. Dann werden die Dopingproben der Spiele von Athen vernichtet sein. Acht Jahre lang werden die Olympia-Proben gelagert. Bis heute machte die medizinische Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) keine Anstalten, Nachproben in die Wege zu leiten. Null Toleranz gegenüber Doping ist das jedenfalls nicht.