Die Grundschule funktioniert in ihrer neuen, punktuell auch schon leicht überarbeiteten Form in ihrem dritten Jahr und je nach Schule und je nach Standpunkt mal mehr und mal weniger gut. Und auch in der Unterstufe des „Secondaire“ wurden die großen Reformansätze bereits umgesetzt.
" class="infobox_img" />Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu
Was aber nicht bedeuten soll, dass aus bildungspolitischer Sicht die kommenden Wochen nur Wochen der Muße und dementsprechend uninteressant würden. Ganz im Gegenteil. Schließlich steht die Reform der Oberstufe in den Lyzeen noch aus.
In diesem Zusammenhang wird das kommende halbe Jahr wenn vielleicht nicht essenziell, dann aber zumindest wegweisend sein.
Denn nachdem Mady Delvaux-Stehres aufgrund des massiven, vor allem gewerkschaftlichen Widerstandes in diesem Frühling angekündigt hat, den Reform-Prozess offiziell rund ein Jahr auszusetzen, drängt die Zeit jetzt erneut. Bis April kommenden Jahres will Delvaux-Stehres nämlich einen Gesetzesentwurf zum „Cycle supérieur“ vorlegen.
Das anstehende Trimester wird demnach quasi zur Bestandsaufnahme des Gesundheitszustands des Sozialdialogs im Unterrichtswesen. Es wird sich zeigen, ob die von Delvaux-Stehres verhängte Reflexions- und Dialogphase diesen Namen auch verdient hat, ob die zusätzliche Zeit sinnvoll und konstruktiv genutzt werden konnte.
Wenn die zeitliche Verlängerung der Diskussionen vonseiten des Ministeriums allerdings lediglich dem strategischen Zweck des Zeitschindens dienen sollte und man in der rue Aldringen geplant hatte, die Reformvorschläge nach Juncker-Manier einfach auszusitzen, dann muss sich die Politik wohl den Vorwurf gefallen lassen, sehr naiv zu sein.
Ansonsten ist der Schritt, der Versuch, wieder Ruhe und vor allem Sachlichkeit in die Reformverhandlungen bringen zu wollen, sehr löblich. Dabei muss sich das Ministerium, will es das hiesige System nachhaltig reformieren, bewusst sein, dass es ohne Zugeständnisse an die Lehrer- und Schülervertreter nicht gehen wird. Zu wichtig ist die Unternehmung Schulreform (aus menschlicher und aus nationalpolitischer Sicht), als dass man sich ein Scheitern erlauben könnte.
Perfektes System existiert nicht
Es wird dementsprechend in den kommenden Wochen darum gehen, so objektiv wie nur möglich die verschiedenen Meinungen und Gutachten erneut zu beleuchten und dann – Achtung, Knackpunkt! – auch zu berücksichtigen. Denn genau hier lag in der jüngeren Vergangenheit eines der großen Probleme: Die verschiedenen Lehrer- und Schülergewerkschaften fühlten sich zwar angehört, aber nicht verstanden bzw. ernst genommen. Viel wichtiger, als strukturelle oder inhaltliche Kompromisse zu finden, wird es daher für die Ministerin und ihr nicht kleines Team aus Beratern und bildungstheoretischen Experten sein, das über die Monate verloren gegangene Vertrauen in die Politik wiederzugewinnen und die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Das perfekte, ewig gültige Bildungssystem kann es aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und der sich daraus ableitenden nötigen Anpassungen und Neuausrichtungen nicht geben. Das weiß die Ministerin, das wissen aber auch die Gewerkschaften, die dementsprechend und bedingt sicherlich bereit sein werden, Wasser in ihren Wein zu schütten.
Der größere Ball liegt allerdings bei Delvaux. Denn wie die Ministerin bereits mehrfach in der Vergangenheit eigens betont hat, sind die Lehrer das wichtigste Element im ganzen Reformprozess. Wichtiger als jede Debatte über Kompetenzen, über Noten, über Zeugnisse oder die Anzahl von „Dominantes“ ist, dass die Lehrer mit am Reformstrang ziehen. Dazu müssen sie aber von der Reform überzeugt sein und Sinn und Zweck der eingeschlagenen Richtung erkennen. Dann werden auch die Schüler – ganz von alleine – das Bestmögliche erreichen.
Dies setzt allerdings voraus, dass die Lehrer und ihre Sorgen und Vorschläge ernst genommen, dass sie nicht verdummt und als einzig und alleine auf Ferien und Gehalt schielende Staatsbeamten dargestellt werden. Die Lehrer müssen als zentrales Element des Schulsystems aktiv (oder sollten wir sagen: aktiver als bisher) eingebunden, Entscheidungen nicht „von oben herab“, über ihre Köpfe hinweg getroffen werden. Dann klappt das schon mit der Jahrhundertreform.
Übrigens: Die beschriebene Erfolgsformel von aktiver und verantwortungsbewusster Einbindung der „Untergebenen“ funktioniert auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes und im Privatsektor.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können