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Schiefe Töne

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„Die Fusion zwischen OPL und Philharmonie sowie die Neuausrichtung der Programmierung des Orchesters konnten rascher realisiert und umgesetzt werden, als dies ursprünglich geplant war.“

So lautet der offizielle Grund, warum Stefan Rosu nach nicht einmal zwei Jahren als Orchesterintendant des OPL in der letzten Augustwoche abdankte. Die heiß diskutierte Fusion – sie soll schneller, besser, schöner und harmonischer vonstatten gegangen sein, als all die Experten das vorhersehen konnten? Kaum zu glauben …

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Besonders nicht, wenn man etwas genauer hinhört: Aus zuverlässigen Quellen verlautet nicht nur, dass die Musiker und der enge Kreis um das OPL verunsichert und skeptisch hinsichtlich ihrer eigenen Zukunft seien, sondern auch, dass Rosu wegen „Inkompatibilität der Persönlichkeitsstrukturen“ gefeuert wurde. Von Matthias Naske, Noch-Generaldirektor des „Etablissement public Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte“, persönlich.

Matthias Naske seinerseits hat nun entschieden, seinen Vertrag in Luxemburg vorzeitig zu beenden und ab Juli 2013 die Intendanz des Wiener Konzerthauses zu übernehmen. Er beteuert, dass der Weggang Rosus und seine eigene berufliche Neuorientierung nichts miteinander zu tun hätten. Es handele sich dabei um „zwei völlig unterschiedliche Geschichten“. Und selbstverständlich werde Naske der Philharmonie noch so lange „dienen“, bis seine Nachfolge in einem „gleitenden Übergang“ geregelt sei.

Routine tötet Kreativität

Ein Wechsel an der Spitze einer kulturellen Institution wie der Philharmonie ist im Grunde keine schlechte Nachricht. Schon gar nicht nach zehn Jahren Pionierarbeit und Kontinuität. Schließlich gibt es für Kreativität nichts Tödlicheres als Routine. Und da die Philharmonie mittlerweile fest in der internationalen Konzertlandschaft verankert ist und auch in Fachkreisen hohes Ansehen genießt, ist es durchaus möglich, dass „noch bis Ende des Jahres“, wie Naske sich das wünscht, ein geeigneter Nachfolger gefunden werden kann. Zumal sich ein Expertenteam (Laurent Bayle, Leiter der „Cité de la musique“ und der „Salle Pleyel“ in Paris, Stefan Forsberg, Leiter des Stockholmer Konzerthauses, Christoph Lieben-Seutter, Intendant der Elbphilharmonie, und Thomas Angyan, Chef des Musikvereins Wien) auf die Suche nach ihm/ihr macht.

Dennoch haftet den anstehenden Veränderungen ein negativer Beigeschmack an. Vor allem weil die Zukunft des OPL wirklich nicht rosig aussieht und Pressemitteilungen wie die oben zitierte nach Schönmalerei, wenn nicht gar Heuchelei klingen. Die Besucherzahlen schwinden kontinuierlich, die Einnahmen durch Abonnements fielen von 560.000 Euro im Jahr 2008 auf 399.978 im Jahr 2009. Aktuellere Zahlen sind von den Verantwortlichen der Philharmonie zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erfahren. Das spricht für sich. Und im Kulturministerium hebt nach 15 Uhr keiner mehr ab. Auch das spricht für sich.

Das OPL ist ohne Orchesterintendanten, und den Fels in der Brandung, der Matthias Naske im Interessenstreit rund um die Fusion ohne Zweifel für viele Beteiligte war, schwemmt es nach Wien. Dennoch spielt die Kommunikation die „Friede-Freude-Eierkuchen-Melodie“. Vielleicht wäre der Philharmonie, und besonders dem OPL als integriertem Hausorchester, mit etwas mehr Ehrlichkeit geholfen. Ehrlichkeit im Bezug auf die Herausforderungen, denen sich das Orchester stellen muss: Denn das OPL hat gegenüber all seinen vermeintlichen Konkurrenten – all den Weltklasseorchestern samt Stardirigenten, die sich in der Philharmonie die Klinke in die Hand geben – einen entscheidenden Vorteil: den Heimvorteil. Das OPL gehöre den Einwohnern Luxemburgs, es sei ein Orchester mit einem spezifischen „Luxemburger Orchesterklang“, wie es im Programmheft des OPL heißt. In diesem „Luxemburger Orchesterklang“, der sowohl in der langen Tradition des OPL als auch in seinem europäischen Horizont gründet, liegt das Potenzial des Orchesters, eine besondere Bindung zum heimischen Publikum auszubauen und deshalb bei Schwierigkeiten auch auf Verständnis zu stoßen.

Vielleicht kommt das ausgesandte Expertenteam ja mit einem Orchesterintendanten zurück, der das OPL überrascht, damit dieses wiederum Lust bekommt, sein Publikum zu überraschen. In diesem Fall könnten ein paar schiefe Töne durchaus ihren Charme haben.