Zurzeit scheint das sogenannte Momentum wieder – trotz schlechter Theaterkritiken für das TV-Duell – bei Barack Obama zu liegen. Und dies wegen einer fast schon unverhofften und die Parteistrategen völlig überrumpelnden wirtschaftlichen Entwicklung.
" class="infobox_img" />Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu
Wenn die USA nicht gerade einen neuen Krieg in einem Land vom Zaun brechen, dreht sich der quasi permanente Wahlkampf in den Staaten bekanntlich um „it’s the economy, stupid“. Was die Wähler jedoch am meisten interessiert, ist nicht etwa unbedingt der Schuldenstand der USA – die Zahlen hier sind zu bombastisch, als dass der Normalsterbliche hierfür ein „Gefühl“ bekommen könnte.
Zumindest subjektiv betrachtet, kann jeder etwas mit den Arbeitslosenzahlen anfangen. Sie sind „greifbarer“ für Joe den Klempner – z.B. entweder, weil man selber Ängste hat, seinen Job zu verlieren, oder weil man jemanden kennt, der seinen Job verloren hat. Im „Hire and fire“-System Amerikas ist Arbeitslosigkeit für die breite Masse eben keine Unbekannte, sondern oft für viele bereits erlebte Realität gewesen. Dies erklärt die Wichtigkeit der Arbeitslosenzahlen im Politbetrieb – man kann eigentlich mit der Entwicklung der Zahlen relativ leicht auf Stimmenfang gehen.
Am Freitag kam dann die Nachricht, dass eben die Arbeitslosenzahlen zum ersten Mal in der Amtsperiode Obamas auf unter acht Prozent gefallen sind – also unter den Wert, den Obama von seinem Amtsvorgänger „geerbt“ hatte. Die konservativen Kommentatoren à la Rush Limbaugh sahen dahinter eine Verschwörung von kommunistischen Staatsbeamten – die gerade zur Unzeit für ihren Kandidaten Romney kam, der soeben eine so schöne Theaterperformance während des TV-Duells vorgelegt hatte.
Natürlich sind die US-Arbeitslosenzahlen auf den zweiten Blick nicht unbedingt so eindeutig. Gemessen wird nämlich nicht, wie viele Amerikaner ohne Job sind, sondern wie viele sich aktiv auf Jobsuche befinden. Allerdings gibt es andere Messverfahren, die darauf hindeuten, dass es eben bei der Beschäftigung in den USA endlich aufwärts geht. Dies müsste eigentlich das Ende für das Totschlagargument der Republikaner – „Obama schafft keine Jobs“ – bedeuten.
Müsste … Denn eines kann man mit Sicherheit bereits jetzt schon behaupten: Es ist nicht der Wahlkampf, den die Parteistrategen bislang erwartet haben. Noch in der ersten Hälfte des Jahres schien folgendes Szenario wie in Stein gemeißelt: Die Republikaner gingen davon aus, dass sich die Wähler wegen der lahmen wirtschaftlichen Entwicklung ganz einfach von Obama abwenden würden. Die Demokraten setzten darauf, dass die Wähler den Plutokraten Romney, der Obamacare und Medicare quasi abschaffen will, ganz einfach nicht wählen werden. Dem ist aber nicht so, weil der US-Wahlkampf immer mehr ideologisch ausgefochten wird.
Wird das Krümelmonster gefeuert?
Die demokratische und die republikanische Sicht der Dinge sind nicht mehr so austauschbar, wie dies noch vor Jahren der Fall war. Die Sozialpolitik, die ja eher eine Domäne der Demokraten war und oft als deren größtes Problem angesehen wurde – weil Amerika das Paradies des Individualismus ist und jeder sich zunächst selber der Nächste ist –, könnte tatsächlich in dem Land, das dabei ist, sich demografisch tief zu verändern (Stichwort Latinos), in Zukunft von einer bis dahin ungekannten Wichtigkeit sein.
Wer hätte geglaubt, dass viele Amerikaner statt der schumpeterschen kreativen Zerstörung zu huldigen, sich auch dafür einsetzen, dass es von der Öffentlichkeit finanzierte Einrichtungen gibt? Bestes Beispiel hierfür dürfte der Aufschrei gewesen sein, als Romney ankündigte, aus „Spargründen“ wolle er die öffentliche Fernsehanstalt PBS samt Sesamstraße schließen. Gut möglich, dass die Amerikaner auch Wert darauf legen, dass das Krümelmonster und Graf Zahl nicht auf die Straße gesetzt werden, auch wenn es sich hier um „kommunistische“ Staatsbeamte handelt. Immer mehr finden sogar, es sollte – trotz der christlichen Lobby – Ernie und Bert endlich gestattet werden, zu heiraten. Anders gesagt, Amerika steht diesmal vor einer richtigen Wahl zwischen zwei Gesellschaftsmodellen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können