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Billig wie Dreck

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Am Montag folgten 750 Lkw-Fahrer einem Aufruf der Europäischen Transportarbeitergewerkschaft ETF und demonstrierten in Brüssel gegen das systematische Sozialdumping auf Europas Straßen.

Ein bulgarischer oder rumänischer Fahrer erhält – inklusive aller Prämien – etwa ein Drittel des Lohnes seines westeuropäischen Kollegen: rund 700 Euro. Sein Basislohn beläuft sich auf etwa 250 (zweihundertfünfzig!) Euro. Wobei klar sein sollte, dass Überstunden in der Regel nicht bezahlt werden.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Es ist mithin evident, dass diese Leute, die einen Großteil ihrer Arbeitsleistung auf den Straßen Westeuropas erbringen, sich die Lebenshaltungskosten in unseren Breiten nicht leisten können.

Viele müssen von Dosenfraß leben, den sie auf Spirituskochern im Windschatten ihres Lasters zubereiten. Übernachtet wird auf dem Bock oder in primitiven Gemeinschaftsunterkünften. Lebensbedingungen, die man wohl kaum als menschenwürdig bezeichnen kann, die aber – aufgrund der chronischen Übermüdung, die sie bei den meisten Fahrern nach sich ziehen – auch erhebliche Sicherheitsrisiken für die anderen Verkehrsteilnehmer bergen.

Gerade im Lkw-Sektor lässt sich hervorragend beobachten, wohin die ständigen Aufrufe des Patronats, dass wir hier im Westen endlich „flexibler“ werden müssen und dass wir uns „den ökonomischen Realitäten nicht verschließen dürfen“, führen können.

System beruht auf Ausbeutung

Nämlich zu nichts anderem als einem „Race to the bottom“, das eine Spirale der kontinuierlichen Verschlechterung des Lebensstandards in Gang setzt. Eine Spirale, die, wie der Fall der bulgarischen oder rumänischen Lkw-Fahrer zeigt, geradewegs in die Verelendung führen kann.

Die ETF-Demonstranten haben am Montag deutlich gemacht, dass sich ihre Proteste nicht gegen die osteuropäischen Kollegen richten: Diese sind in der Tat die Opfer und nicht die Täter in diesem kriminellen Ausbeutungssystem.

Wie ETF-Generalsekretär Eduardo Chagas am Montag erklärte, verschlechtert sich die Lage in diesem Sektor zusehends. Und zwar nicht, weil es in Europa keine Regeln gäbe, sondern ganz einfach weil deren Einhaltung nur höchst unzureichend überwacht wird: Überladene Laster und übermüdete Fahrer gehören deshalb auf Europas Straßen zum Alltag.

Schlimmer noch: Die systematische Missachtung der Sicherheitsbestimmungen und die rücksichtslose Ausbeutung der Fahrer sind geradezu das Fundament eines Systems, das garantieren soll, dass der Gütertransport über die Straße billig wie Dreck bleibt.

Nun mögen niedrige Transportkosten ja auf den ersten Blick als eine wunderbare Sache für Konsum und Konjunktur erscheinen.

Doch darf man nie aus den Augen verlieren, welchen realen Preis die Allgemeinheit dafür zahlt: Armeen von miserabel bezahlten Fahrern, gigantische Kosten, die durch Unfälle verursacht werden, sowie die vom alltäglichen Wahnsinn auf unseren Straßen verursachten ökologischen Zerstörungen sind die direkten Konsequenzen einer liberalen Transportpolitik, in der die Profite grundsätzlich über das Wohl der Menschen gestellt werden.