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Der Größte

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Der größte Tour-Fahrer aller Zeiten mit sieben Siegen in Folge ist definitiv gefallen: Lance Armstrong und die Tour de France, das wird nun als größter Sport-Betrug aller Zeiten in die Geschichte eingehen.

Indem der Radsport-Weltverband UCI die Schlussfolgerungen des vernichtenden Usada-Berichts am Montag übernahm, machte die UCI diese Tatsache offiziell. Das ist gut, hat aber zwei riesige Haken: Die UCI selbst wird in diesem Bericht ebenfalls beschuldigt, und das Ganze kommt zu spät – viel zu spät.

Claude Clemens cclemens@tageblatt.lu

Da wäre quasi noch vor der Ära Armstrong die Festina-Affäre im Jahr 1998, nach welcher der Radsport nicht bei sich ausgemistet hat. Dann ist erstmals Armstrong selbst dran: 2004 erscheint das Buch L.A. Confidential, in welchem Armstrong erstmals von Zeugen des Dopings bezichtigt wird. Die UCI reagiert nicht, Armstrong wohl, und einige Prozesse später ist es so weit, dass dieses Buch bis heute nicht auf Englisch veröffentlicht wird. 2005 gewinnt L.A. seine siebte Tour in Folge, tritt zurück, wird wenige Monate später von einer LEquipe-Untersuchung schwer belastet. 1999 bei seinem ersten Tour-Sieg soll er Epo-Doping betrieben haben. Von einem französischen Labor nachuntersuchte Proben belegen dies. Die UCI reagiert, schreit Formfehler. Damit hat sie sogar recht, aber dennoch bleibt: Sie unternimmt nichts, rein gar nichts.

Zwischenspiel 2006: die spanische Operacion Puerto. Die UCI versäumt es wieder, auszumisten, findet sich diesmal aber in bester Gesellschaft: von der ersten Fuentes-Kundenliste verschwinden Top-Fußball-Klubs aus Spanien und ein mallorquinischer Tennis-Profi.

2009 das Armstrong-Comeback: Die UCI applaudiert, sieht kein Problem in Armstrongs bereits geschädigtem Ruf. Weiteren Geständnissen und Anschuldigungen von Ex-Team-Kollegen zum Trotz.

Endlich

2012 nun kann sie unter dem Druck des Usada-Berichts nicht mehr anders – endlich. U.a. 26 Zeugenaussagen unter Eid, davon 15 von früheren Radprofis, davon elf frühere Armstrong-Teamkollegen, sind zu viel. Zu offensichtlich erscheint nun der damalige Betrug.

Betrug an der sauberen Konkurrenz – gab es die überhaupt? – als Allererstes. An der ebenfalls gedopten Konkurrenz in zweiter Linie, nämlich der finanz-schwächeren und nicht von einem System profitierenden Konkurrenz. Betrug an den Fans, den Sponsoren, den TV-Zuschauern, den Kindern, die zu ihm als Idol aufschauten. Klar, Armstrong hat den Krebs besiegt, seine Stiftung Livestrong ein hehres Ziel, aber Sport – im wahrsten Sinne des Wortes, nicht die von Unsummen pervertierte Version des Sports – steht für Gesundheit und Fair Play: Das gelbe, millionenfach verkaufte Livestrong-Armband erscheint in diesem Licht einfach nur wie pure Ironie.

Natürlich braucht der Radsport einen Neuanfang. Aber geht das mit den alten Akteuren? Mit UCI-Boss McQuaid, seinem Vorgänger, dem im Weltsport noch immer Strippen ziehenden Verbruggen; den Riis, Andersens, Yates und wie sie alle heißen in den Begleit-Autos der Teams? Matt White, sportlicher Leiter bei Orica, wurde im Usada-Bericht ebenfalls belastet. Er zog sofort die Konsequenz, trat zurück. Sean Yates (heute Sky) dagegen hat nix gesehen … und keiner stört sich daran.

Anstatt von Amnestie und Neuanfang zu reden: hier muss zuerst Vergangenheitsbewältigung betrieben werden. Zu groß, riesig, gigantisch ist das Ausmaß und dementsprechend der Image-Schaden.

Aber die UCI hat schon vieles ausgesessen … und vielleicht hat sie für einmal sogar recht: Denn was sich im Zuge der Ermittlungen in Italien gegen den Doping-Arzt Ferrari andeutet, könnte den größten Sportbetrug aller Zeiten vielleicht gleich noch einmal übertreffen. Hier geht es nämlich um 20 Teams. Nicht um eins.

Kommt das ganz dicke Ende also erst noch?