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Was soll das?

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Nicht schlecht gestaunt hat das Land, als der Parteipräsident der CSV und der Fraktionspräsident der LSAP vor Kurzem im Gleichschritt zum Sturm auf die erste Ausgabe der Budgetvorlage der eigenen Regierung bliesen.

Die Presse freute sich, die Opposition war sprachlos und den beiden kam endlich die (mediale) Aufmerksamkeit zu, die sie für sich selbst als angebracht ansehen. Geheimnisumwittert wurde ein zusätzliches Sparpaket geschnürt, mit vor Stolz geschwellter Brust wurde die eigene Fantasie gelobt, mit der man nun das Land für die Zukunft aufstellen werde.

Natürlich war es, auch von LSAP-Seite, gerechtfertigt, den Herrn Finanzminister in die Schranken zu weisen, der selbstherrlich verschiedene Sparakzente setzen wollte, die zu Recht so mit der LSAP nicht zu machen sind.

Doch dann gebar der Berg eine Maus, die aber auch nicht annähernd die strukturelle Ungerechtigkeit der luxemburgischen Finanz- und Steuerpolitik in Frage stellt. Fakt ist, dass ein immer größerer Anteil der Steuern von den Privathaushalten aufgebracht werden muss, während ein immer kleiner werdender Anteil von der Wirtschaft kommt. So lag im Jahre 2000 das Steueraufkommen der Betriebe („Impôts sur le revenu ou les bénéfices des sociétés“) bei 24,43% der Gesamtsteuereinnahmen, und jenes der Privatpersonen („Impôts sur le revenu des personnes physiques ou des ménages“) bei 25,07%, also annähernd auf gleicher Höhe.

Bis zum Jahr 2011 hat sich dieses Verhältnis wesentlich zugunsten der Betriebe (19,39%) und zuungunsten der Privatpersonen (31,74%) geändert. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der Mehrwertsteuer (TVA, die ohne soziale Selektivität vom Verbraucher bezahlt wird) an der Gesamtsteuermasse von 18,20% auf 23,85% erhöht. Und die Sparmaßnahmen des neuen Budgetprojekts bestätigen diese Tendenz: Zu über 45% betreffen sie die Haushalte, während die Betriebe gerade mal 17% beitragen, der Rest wird durch Kürzungen bei den Investitionen und Einsparungen beim Staat erreicht.

Familien werden hart getroffen

So steigt die Solidaritätssteuer für Privathaushalte um 3% respektive 5%, während die gleiche Steuer für die Betriebe nur um zwei Prozentpunkte angehoben wird. Da mutet es fast schon sarkastisch an, dass eine Mindeststeuer von 500 Euro für Betriebe eingeführt oder der Einheitssteuersatz für die Soparfi-Gelddruckmaschinen von 1.500 Euro auf 3.000 Euro festgelegt wird. Soll dies etwa der Einstieg in eine gerechte Betriebsbesteuerungspolitik sein, wohlwissend, dass 80% der Betriebe in Luxemburg keine Steuern bezahlen?

Nicht so großzügig geht man mit den Privathaushalten um. Verschiedene zusätzliche Maßnahmen werden die Familien hart treffen. Wer zusätzlich 20 Millionen Sozialleistungen kürzt (u.a. die Schulrentrée-Beilage zusammenstreicht), Leistungen beim Beschäftigungsfonds (15 Millionen) einschränkt, den Wohnungsbau durch teilweise Nichtrückerstattung der Mehrwertsteuer verteuert oder das Rentenajustement nicht auszahlt, kann kaum das Gegenteil behaupten.

Aber auch die reine Personenbesteuerung bleibt fundamental ungerecht. Während der Spitzensteuersatz um einen winzigen Prozentpunkt angehoben wird (ab einem Jahresverdienst von 100.000 Euro), geniert man sich nicht, diesen Spitzensteuersatz auch weiterhin ab einem relativ niedrigen Jahresverdienst (41.800 Euro) anzusetzen. Eine Politik der Verteilung der Lasten auf breite Schultern sieht anders aus!

Ist also die zweite Version des Haushaltsentwurfs etwa sozialer, als es die erste war? Mitnichten! Sie ist es nicht, sie ist sogar in manchen Punkten schlechter! Finanzminister Luc Frieden dagegen ist jetzt zufriedener! Wen wundert’s, bei solch kompetenter Hilfestellung!

So weit, so schlecht! Dass dann allerdings in einer gemeinsamen (?!) Pressekonferenz der CSV- und LSAP-Fraktionen weitere „Sparmaßnahmen“ für die nächsten Jahre angekündigt werden, und warum nicht, wenn man schon dabei ist, im gleichen Atemzug eine Null-Prozent-Defizit-Strategie proklamiert wird, ist nicht nur politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich von höchster Brisanz.

Grünes Licht für weitere Kürzungen

Dabei muss man wissen, dass sogar die erste Version des investitionsbereinigten Haushaltsentwurfs ausgeglichen war. Die laufenden Ausgaben sind so gesehen nicht höher als die laufenden Einnahmen. Im Vergleich der Haushaltsvorlagen 2012/2013 steigen die Einnahmen sogar schneller an als die Ausgaben. Mit dem nun vorliegenden Projekt des Haushalts 2013 wird das Defizit des Zentralstaates sogar unter dem Wert des Jahres 2004 der damaligen CSV-DP-Koalition liegen. Auch erfüllt Luxemburg nach den neuesten Eurostat-Zahlen mit -0,3% bzw. -18,3% nach wie vor als eines der wenigen Länder die Maastrichter Defizit- und Verschuldungskriterien (höchstens -3% Jahresdefizit des PIB und -60% des PIB als Gesamtverschuldung sind erlaubt). Zum Vergleich: Deutschland: -0,8 % und -80,5%, Frankreich -5,2 % und -86 %, Belgien -3,7 % und -97,8 %. Es gibt also überhaupt keinen Grund, die gleiche Finanzpolitik zu betreiben, wie sie anderen Ländern durch das Diktat der deutschen Politik aufgezwungen wird.

Für die LSAP bedeutet eine Null-Prozent-Defizit-Strategie überdies einen Paradigmenwechsel, der fundamentale Elemente sozialistischer Politik in Frage stellt. Wer diese These übernimmt, lehnt auch eine nachhaltige Investitionspolitik im Interesse der kommenden Generationen ab und gibt jetzt schon grünes Licht für weitere Kürzungen der Sozialleistungen.

Dass eine solche Politik für die LSAP sozusagen nebenbei per Pressekonferenz praktisch per Dekret verfügt wird, ist eine politische Ungeheuerlichkeit. Damit dürfte dann das Wahlprogramm der LSAP für die nächsten Wahlen auch schon geschrieben sein. Gerüchten zufolge soll es auf einem gemeinsamen Kongress mit der CSV verabschiedet werden.