Doch dann begann Frankreich, und allen voran der zuständige Minister des „redressement productif“, Arnaud Montebourg, die schwere Artillerie auszupacken, und drohte mit einer Nationalisierung des Werkes. Die Vertreter der Arbeitgeber im Hexagon und Lakshmi Mittal selbst waren natürlich zutiefst schockiert und gar entsetzt.
" class="infobox_img" />Michelle Cloos nom@tageblatt.lu
Das Resultat der Machtprobe wurde am Freitagabend bekannt, als der französische Premierminister ankündigte, dass es in Florange zwar keine Nationalisierung, aber auch keinen Sozialplan geben werde und dass sich ArcelorMittal letztendlich doch dazu engagiert hat, in die Zukunft des Standorts zu investieren. Die Syndikate konnte der Kompromiss nicht wirklich überzeugen und die Beschäftigten misstrauen den Versprechen des Stahlriesen, was nicht nur nachvollziehbar, sondern auch vorsichtig ist. Dennoch, die französische Regierung hat etwas bewirken können und Arbeitsplätze gesichert. Sie hat es fertiggebracht, Mittal die Leviten zu lesen und Bekenntnisse abzuverlangen.
Eine solch offensive Haltung der Politik gegen Mittal hat man in Luxemburg beispielsweise noch nicht gesehen. Man hat eher das Gefühl, dass der Kampf um Schifflingen und Rodange bereits aufgegeben wurde. Auch die Studien, die die Zukunftsfähigkeit der beiden Werke beweisen, scheinen daran nichts zu ändern. Sogar bei der rezenten Ankündigung, das Arbed-Gebäude an der Avenue de la Liberté einzumotten, gab es vonseiten der Regierung keine Empörung. Dabei handelte es sich hier um einen symbolkräftigen Schlag für die Luxemburger Stahlindustrie. Und wieder einmal wurde die ominöse Formulierung einer „provisorischen Schließung“ benutzt, die in Mittal-Sprache fast immer bedeutet, dass sich dieses Provisorium später als definitiver Beschluss herausstellt.
Das Beispiel Frankreich zeigt, dass ein Land nicht notgedrungen machtlos gegen einen internationalen Konzern ist, der sich weder um die Interessen der Angestellten noch um die des Landes kümmert. Ein Staat muss sich nicht kampflos dem Diktat der Wirtschaft unterwerfen, er kann sich auch gegen die Exzesse eines ungezügelten Neoliberalismus wehren. Die Politik muss sogar das Primat über die Wirtschaft zurückgewinnen und sie darf den Konflikt mit großen Konzernen oder Investoren nicht fürchten, wenn sie nicht ihre eigene Glaubwürdigkeit verlieren will. Die Umfragen in Frankreich haben beispielsweise gezeigt, dass die Mehrheit der Franzosen die Nationalisierungsdrohung für die richtige Strategie hielt.
Die Politik muss sich behaupten
In Zeiten, in denen Europa vor gigantischen sozialen Problemen (erst letzte Woche stieg die Arbeitslosigkeit in der Eurozone wieder auf eine dramatische Rekordhöhe) und folglich vor einer stetig wachsenden Unzufriedenheit der immer mehr unter der ruinösen europäischen Austeritätspolitik leidenden Bürger steht, muss die Politik wieder lernen, sich zu behaupten, und endlich die nötigen Schritte unternehmen, um die Ökonomie wieder in Gang zu bringen und Jobs zu schaffen.
Denn jedes Mal, wenn sich die Politik vor den Wirtschaftsakteuren duckt und versucht, sich mit Sprüchen wie „wir können nichts tun“ oder „es geht nicht anders“ zu verteidigen, verliert sie ein bisschen mehr das Vertrauen der Bevölkerung. Denn die EU-Bürger erwarten eine ambitionierte Politik, nicht nur in puncto europäische Industrieproduktion, sondern ganz allgemein.
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