Während die einen – etwa Kommissionspräsident José Manuel Barroso – das Ende der Eurokrise ausrufen, beschwören die anderen – Bundeskanzlerin Angela Merkel –, dass 2013 auf den Euro, ähnlich wie im Vorjahr, turbulente Zeiten zukommen. Wie es die Eigenart des Politiksprech so will, haben beide Gruppen recht.
" class="infobox_img" />Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu
Das klingt zuerst mal verwirrend, und genau dies ist der Zweck, der sich dahinter verbirgt. Den einen gilt es zu vermitteln, dass wohl schwierigere Zeiten auf sie zukommen werden, den anderen Durchhalteparolen hinzuwerfen mit dem Verweis darauf, dass ihre Opfer bisher nicht umsonst waren. Angela Merkel richtet sich natürlich in erster Linie als „ernste“ Kommunikatorin an den Norden Europas, und José Manuel Barroso, der eben dort seit Jahren nur noch belächelt wird, wendet sich eher an die Gesellschaften im Süden als Repräsentant der Spezies, die nicht so streng ist wie „Mutti Merkel“. Die Wahrheit über das, was 2013 mit dem Euro passieren wird, steht in den Sternen.
Die Politik wurde, um ehrlich zu sein, selten in der Geschichte der Menschheit durch logische Stringenz vermittelt, sondern eher durch Vermittlung von Emotionen und Aufrufe ans Ehrgefühl („ceterum censeo“, „die Dolchstoßlegende“, „keine Experimente“, „¡no pasarán!“, „de séchere Wee“ usw., usf., man darf sich eins aussuchen). Dies hat mit der Lüge als wichtiges und gern gebrauchtes kommunikatives Politikmittel – die Adepten der Politikphilosophie von Platon und Leo Strauss lassen grüßen – in erster Linie nicht unbedingt etwas zu tun. Es ist aber genau wie dieses ein Werkzeug, welches nicht dazu dient, die Menschen aufzuklären, sondern sie dorthin zu bringen, wo man sie gerne hin haben möchte.
In unserem Zeitalter der Hyperkommunikation hat sich ein neues Werkzeug der Politikvermittlung hinzugesellt: die „Rund-um-die-Uhr-Krisenkommunikation“, die sowohl das eine als auch das Gegenteil sagen darf, ja sogar sagen muss.
Vor Kurzem meinte Premierminister Juncker – der nie weg war und jetzt aber wieder zurück ist –, Kommunikation sei nicht so wichtig, sondern auf die Substanz komme es in der Krisenpolitik an.
Auf unser Beispiel des Euros angewendet – und nicht nur dort –, dient die Kommunikation allerdings dem Zweck, die Substanz zu verschleiern. Wer die Menschen einer andauernden Kakofonie an gegensätzlichen Botschaften aussetzt, braucht ihn dann auch nicht mehr anzulügen, wenn es ernst wird. Sie hören dann einfach nicht mehr zu.
Gefahr für den Euro
Diesen Zustand des Krisen-Kommunikations-Overkills haben wir in Europa mit den Aussagen Barrosos und Merkels und der anderen in vielen Ländern erreicht (auch hierzulande?). Dieses Stadium ist denn auch äußerst praktisch, um „Reformen“ jeglicher Couleur durchzuboxen. Es hört ja eh niemand mehr hin.
Dann erstaunt es auch fast niemanden, dass zum Beispiel die Ultra-Liberalisierungs-Verfechter der OECD wie vor einigen Wochen in Luxemburg hingehen können, um die aufklaffende Schere zwischen den Armen und Reichen mit Recht anzuprangern. Nur die Medizin, die sie dann verschreiben – selektive Sozialpolitik –, dient nicht dazu, den Körper des Kranken wieder in Balance zu bringen, sondern genau das Gegenteil.
Eines bleibt jedoch sicher: Der Euro, die Wirtschaft und Europas Gesellschaft sehen sich 2013 weiterhin einem reellen Risiko ausgesetzt. Dieses Untier heißt mit Namen schlicht und einfach „Politik“, oder das, was heute darunter verstanden wird.
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