Headlines

Brüsseler Herolde

Brüsseler Herolde

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dass trotz dreier bereits durchgeführter Liberalisierungspakete die Marktanteile der Bahn im europäischen Verkehrsaufkommen zurückgehen, liegt einzig und allein an den Gewerkschaften, die bremsend wirken.

So sahen es jedenfalls im Vorjahr einige Parlamentarier der Liberalen und der Europäischen Volkspartei während einer Konferenz über die Liberalisierung der Eisenbahnen. Dass mittlerweile gleich mehrere Eisenbahngesellschaften in Europa (darunter die Luxemburger CFL) Bedenken gegen die nun angestrebte Trennung von Betrieb und Netz angemeldet haben, interessiert die Herolde des freien Unternehmertums wenig bis gar nicht.

Logo" class="infobox_img" />Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Liberalisierung ist ihr Kredo: Argumente sind zweitrangig, mit quasi religiösem Eifer wird das Prinzip des freien, weil ungezügelten Wirtschaftens verteidigt. Wenn die Resultate ausbleiben, ist die Schuldfrage schnell geklärt (vergl. oben): An den Gewerkschaften liegt es und die gehören am besten zusammen mit den integrierten Bahngesellschaften abgeschafft.

Einer dieser Herolde, der EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, äußerte sich vergangene Woche bei der Vorstellung des vierten Liberalisierungspaketes ebenfalls in diesem Sinn. Der Bahnverkehr in Europa brauche mehr Wettbewerb, die Liberalisierung müsse weitergehen.

Doch nicht nur die Gewerkschaften, die aufgrund schlechter Erfahrungen nach den bereits abgeschlossenen Liberalisierungswellen zu Recht besorgt um Löhne und Arbeitsbedingungen in dem Sektor sind, üben mittlerweile Kritik am Wettbewerbswahn der Kommission.

Auch der Verband der Europäischen Eisenbahn- und Infrastrukturunternehmen, CER, bemängelte, es sei nicht förderlich, alle paar Jahre neue gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen. So sei ein überlegtes und vorausschauendes Wirtschaften schlecht möglich.

Luxemburg will nicht trennen

Abstrus wird der Liberalisierungswunsch ganz besonders, wenn es um kleine Netze – wie etwa das luxemburgische – geht.

Eine Trennung von Schiene und Betrieb würde einen kontraproduktiven und teuren bürokratischen Aufwand bedeuten, diese Position vertritt die Luxemburger Regierung – jedenfalls bei Auftritten in Luxemburg. Der Präsident des FNCTTFEL-Landesverbandes und Vorsitzende der Sektion Eisenbahn der europäischen Transportarbeitergewerkschaft ETF, Guy Greivelding, fragte in der letzten Verbandszeitung, wo denn die Luxemburgerin Viviane Reding gewesen sei, als deutsche und französische Kommissare während einer Kommissionssitzung Einwände gegen die Liberalisierungspläne formuliert hatten (DB und SNCF stehen der vierten Liberalisierungswelle skeptisch gegenüber). Sollten die Zugverbindungen für Personen nach dem Gusto Brüssels frei ausgeschrieben werden, so erhöhte sich unweigerlich der Druck auf die Personalkosten (was Löhne und Umfang der Belegschaft in Frage stellen wird), die Arbeits- und Sozialbedingungen würden sich verschlechtern (wie das Beispiel CFL Cargo verdeutlicht) und es ist kaum anzunehmen, dass die Bahnkunden davon profitieren können. Die Ticket-Preise würden eher teurer und die Dienstleistung kaum besser.

Wenn Europa wirklich freien Wettbewerb beim Transport von Personen und Waren wünschte, dann sollten die indirekten Subventionen für den umweltbelastenden Straßenverkehr zurückgefahren werden. Dieser wird zwar immer unsicherer und die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer werden teilweise unerträglich. Die Umweltbelastungen, Straßeninfrastruktur und Gesundheitsschäden werden hier aber wohlweislich ignoriert.