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Klasse statt Masse

Klasse statt Masse
(Tageblatt-Archiv/Hervé Montaigu)

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Während die von der EU-Kommission angestrebte Liberalisierung des Wassermarktes praktisch in aller Munde ist und Anlass zur ersten europaweiten Bürgerinitiative gab (mittlerweile sind weit über eine Million Unterschriften gegen die freie Vermarktung des Grundbedürfnisses zusammengekommen), konnte die ebenfalls angestrebte totale Liberalisierung des europäischen Weinmarktes vorerst abgewendet werden.

Im Weinbau gelten sogenannte Pflanzrechte, die den historischen Gegebenheiten entsprechen. Diese laufen laut reformierten Weinbauregeln auf europäischer Ebene ab 2015 aus.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Danach sollte dem Kredo der Kommission zufolge dem Tüchtigen freie Bahn gegeben werden, sprich jeder, der über die notwendigen önologischen (und chemischen) Kompetenzen verfügt (oder auch nicht), sollte, wo immer es wirtschaftlich rentabel erscheint, Reben anpflanzen und Wein produzieren können. Dies hätte in einer ersten Phase nicht nur einen dramatischen Anstieg der Produktion zur Folge, sondern auch eine völlige Verunsicherung der Konsumenten.

Dabei haben diese es jetzt schon nicht leicht, zwischen edlen Tropfen und besserem Essig zu unterscheiden, solchermaßen ist das Angebot in den letzten Jahren explodiert. Von Südafrika über Kalifornien bis zu Chile oder Argentinien reicht das Angebot an Rebsäften aus der sogenannten Neuen Welt, die in den Regalen mit hochgestylten Etiketten um die Gunst der Käufer buhlen. Bei den europäischen Produkten – wenigstens jenen aus den traditionellen Produktionsländern und -gebieten – ist dies aufgrund lange bekannter Qualitätsbezeichnungen da schon einfacher, zumindest für Weinliebhaber.

Experten gegen Liberalisierung

Die von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe legte Ende vergangenen Jahres ihren Bericht vor und dieser fiel für die Winzerschaft positiv aus, sprich die Experten raten zu einer Verlängerung der oben beschriebenen Pflanzrechte.

Damit dürfte die Liberalisierung zwar nicht aufgehoben, aber immerhin aufgeschoben sein.

Für Luxemburg ist dies in doppelter Hinsicht eine gute Nachricht. Die Kapazität an Weinbaugebieten ist beschränkt; neben den 1.300 genutzten Hektar an der Mosel gibt es kaum Möglichkeiten zu weiterem Rebenanbau und die Mengenbegrenzung hat zu einer durchwegs guten Qualität der produzierten Rieslinge, Rivaner, Auxerrois und neuerdings wieder verstärkt Elblingen geführt, ohne den Verkaufsschlager „Crémant“ zu vergessen. Eine Liberalisierung hätte hier nichts gebracht. Allein schon wegen der vergleichsweise hohen Löhne gibt es in Luxemburg keine Alternative (mehr) zur Qualitätsproduktion.

Und vorerst ist die Gefahr gebannt, dass Unmengen von Wein aus anderen europäischen Ländern den Markt überschwemmen und die Preise in den Keller treiben.

Mit neuer Konkurrenz ist mittelfristig dennoch zu rechnen. War Luxemburg früher eines der nördlichsten Weinbaugebiete überhaupt – inklusive der mit den klimatischen Gegebenheiten verbundenen Spritzigkeit und Frische der Produkte –, so führt der Klimawandel dazu, dass auch Belgien, die Niederlande, Großbritannien und selbst Dänemark sich inzwischen in der Weinproduktion mit früh reifenden Sorten versuchen.

Luxemburg kann seinen Vorsprung angesichts der gestoppten Liberalisierung nun erst mal weiter ausbauen. Die Anstrengungen der vergangenen Jahre haben aus den einheimischen Lagen ein Spitzenweinbaugebiet gemacht. All jene, die vor Jahrzehnten der Mosel den Rücken zugewandt haben, sollten der Region eine neue Chance geben und sich insbesondere die Resultate der Anstrengungen der vielen jungen Winzer versuchsweise auf den Tisch, bzw. ins Glas holen. Sie werden positiv überrascht sein …