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Unter der EU -Knute

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Was ist gute, was ist schlechte Politik? Die beste Antwort auf diese uralte, heute in EU-Europa hochaktuelle Frage veranschaulichte Ambrogio Lorenzetti schon 1337/1340 mit seinem berühmten Freskenzyklus im Palazzo Publico von Siena.

Die gute Regierung sichert der Stadt und den Bürgern Wohlstand, Recht und Lebensfreude; die schlechte Regierung bringt Armut, Hunger, Gewalt, Raub.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Seit Jahren betreiben diejenigen, die man mit dem Auftrag wählte, Europa zum fortschrittlichsten Kontinent dieser Erde zu machen, das genaue Gegenteil: sozialen Abbau.

Die Arbeitslosenzahlen wachsen in rasendem Tempo (gestern meldete die Eurozone ihren neuen Rekordstand: 19 Millionen!); für Schulen, medizinische Versorgung, Renten fehlen die Mittel; mehrere Staaten sind gezwungen, sich totzusparen.

So wollen es die EU-Finanzminister und der Währungsfonds vor lauter Sorge um das Geld der Millionäre und der Milliardäre, deren es immer mehr gibt.

An dieser Stelle wurde oft auf die stille Komplizität zwischen Spitzenpolitikern, Spitzenbeamten und Spitzenberatern („Experten“) hingewiesen, die gemeinsam das ganze Malheur zu verantworten haben. Sie verbergen ihre Fehler hinter Bergen von Papier: Absichtserklärungen, Studien, Programme, Vorschriften, Verordnungen, Regeln usw., usf.

Insbesondere die Spezies der rhetorisch begabten Politprofis, deren beste Werkzeuge Radio und TV sind, glänzt mit der Fähigkeit, sich selber als Opfer darzustellen. Dabei sind sie die Täter!

In den Täterkreis, der für die EU- und die Euro-Misere verantwortlich ist, müssen wir die Luxemburger Herolde einschließen. „Unsere“ Leute, die Juncker und Frieden, reden ja nicht die leisesten Töne auf internationalen Pressekonferenzen; man darf, man soll, man muss die Legitimität so mancher Aussage im Namen Luxemburgs bezweifeln.

Dass ein entnervter Deutscher, Franzose oder Brite oder Italiener, Spanier, Pole den lauten Luxemburger darauf verweisen kann, dass Luxemburg, alles in allem, die partnerschaftlichen Verträge in Ehren, nicht mehr Einwohner zählt als ein paar Hauptstadtbezirke, ist verständlich. Luxemburg gewinnt nichts in harten Auseinandersetzungen. Die Zeiten, als Kleinheit spontane Sympathie einbrachte, sind vorbei.

Mit Blick auf die Kammerwahlen von 2014, aus denen hoffentlich eine andere Regierung, oder zumindest eine anders gewichtete, hervorgeht, möchten wir das Thema der Luxemburger Ziele und des Luxemburger Auftritts in der EU und in der Eurozone in den Vordergrund rücken.

Welches Europa, welche Eurozone wollen die Wähler?

Jenes, das Juncker und Frieden mittragen, eines, das den Staatshaushalt auf die Stelle nach dem Komma kontrolliert? Eines, das, weil die finanzielle Oberhoheit abgetreten wurde, vorschreibt, wie künftig zu „reformieren“ ist im sozialen Bereich? Die ersten Schritte wurden bereits von Junckers Mannschaft getan; die nächsten werden folgen, wetten, dass? – Wenn wir uns nicht wehren.

Wenn die Wahlen 2014 nicht – endlich! – der Forderung nach partizipativer Demokratie Auftrieb geben in diesem Land, dessen Wahlsystem eine Partei massiv begünstigt, die des jetzigen Premiers! Seit 1919 war die CSV nur sechs Jahre nicht dabei. Kann das ein Zufall sein, oder ist es das Ergebnis einer cleveren Konstruktion, die notwendigerweise zur dominanten Stellung führt?

Ein ungerechtes System

Ein paar Indizien nur.

Wegen der vier Bezirke, wegen der Festlegung auf soundso viel Abgeordnete je Bezirk, unabhängig von der Bevölkerungs- und Wählerzahl, bekam die CSV 2009 ihre 26 Sitze für 38% der Stimmen, also einen Sitz für 1,46% der Stimmen. Die LSAP erhielt für 21,5% nur 13 Sitze; sie brauchte 1,65% pro Sitz. DP: 15% Stimmen, 9 Sitze, 1,66% pro Sitz. Die Grünen: 11,7% Stimmen, 7 Sitze, 1,67% pro Sitz. Die ADR: 8,1% Stimmen, 4 Sitze, 2,02% pro Sitz. Die Linke: 3,3% Stimmen, 1 Sitz, 3,3% pro Sitz.

So was könnte man – nicht für 2014, dafür ist es schon zu spät – aber für 2019 korrigieren. Dann, spätestens dann, bräuchte das Land auch ein Wahlrecht für seine Ausländer.