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Trauriger Prozess

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Der Jubel war schnell verstummt und musste Platz machen für harte Kritik. Zwar war Eufemiano Fuentes, berühmtester Gynäkologe der Sportgeschichte, nach einem spektakulären Prozess zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Jedoch hat diese Verurteilung wenig Einfluss auf sein Leben.

Fuentes muss weder hinter Gitter noch wurde ihm als Arzt das Handwerk gelegt. Das milde Urteil und seine Begleitumstände waren einmal mehr der Beweis für eine halbherzige Politik der Doping-Bekämpfung.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Von einer Null-Toleranz gegenüber dem Krebsgeschwür des modernen Spitzensports ist Spanien demnach auch weiterhin genauso weit entfernt wie von einer sinnvollen Politik gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Mit dem Finger braucht deshalb aber niemand auf die Iberische Halbinsel zu zeigen, denn in den allermeisten Ländern Europas, Luxemburg inklusive, ist Null-Toleranz gegenüber Doping nur ein Lippenbekenntnis.

Die Bombe platzte im Mai 2006, als die spanische Polizei bei einer Razzia große Mengen Dopingmittel und über 200 Blut- und Plasma-Beutel in der Praxis des Gynäkologen Fuentes fand. Das Doping-Netzwerk funktionierte mindestens seit 2003. Die Blutbeutel, zum Eigenblutdoping gedacht, brachten das halbe Radsport-Peloton in schwerste Erklärungsnot. Denn die Codenamen auf den Beuteln konnten relativ mühelos den Profis zugeordnet werden. Und so wurden einen Tag vor der Tour de France 58 Fahrer vom Start ausgeschlossen, darunter die Kronfavoriten Jan Ullrich und Ivan Basso. Auch Alberto Contador war dabei. Der Name Fuentes verdrängte Festina nach immerhin acht Jahren an der Spitze der Hitparade der größten Doping-Skandale der Radsportgeschichte auf Platz zwei.

Treppenwitz

Der erste Sieger der Tour de France nach dem Ende der Armstrong-Ära hieß übrigens Floyd Landis. Was durchaus als Treppenwitz der Sportgeschichte gewertet werden darf. Denn Landis wurde unmittelbar nach der „Grande Boucle“ wegen Dopings der Gesamtsieg aberkannt. Und dem Kronzeugen Landis ist es auch in erster Linie zu verdanken, dass das Denkmal Lance Armstrong im vergangenen Jahr einstürzte und dem wohl skrupellosesten Doper und Lügner der Sportgeschichte das Handwerk gelegt wurde.

Die Fuentes-Affäre schwappte auch nach Luxemburg über, wenn auch mit zwei Jahren Verspätung. 2008 wurde eine Überweisung von Frank Schleck, der 2006 übrigens seinen Durchbruch in die absolute Weltspitze feierte, auf ein Fuentes-Konto bekannt. Für Trainingspläne, hieß es aus dem Schleck-Lager. Doping konnte Frank Schleck freilich nicht nachgewiesen werden, so dass es außer einem etwas ramponierten Ruf keine bleibenden Schäden beim Fahrer gab. 2010 weitete sich die Fuentes-Affäre dann durch die „Operation Galgo“ auf andere Sportarten aus, genauer gesagt auf die (spanische) Leichtathletik. Bereits bei seiner Verhaftung 2006 hatte Fuentes den Ermittlern gesagt, die Mehrheit seiner Dopingkunden würde nicht aus dem Radsport kommen. So ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den Teamärzten des FC Barcelona und von Real Madrid dokumentiert. Es ist davon auszugehen, dass das Fuentes-Netzwerk neben den Fußballern der beiden größten Mannschaften der Welt auch eine Menge anderer Sportheroen aus Spanien umfasste. Was dann auch der Grund sein dürfte, weshalb sich der Antrieb zur lückenlosen Aufklärung der Fuentes-Machenschaften in Grenzen hielt. An einem großen Erdbeben im spanischen Sport hatten die wenigsten Interesse, an Ablenkung durch große spanische Erfolge im Sport dagegen viele.

„Wenn Sie wollen, rücke ich meine Kundenliste heraus“, sagte Eufemiano Fuentes beim Prozess. Das Gericht wollte nicht und lehnte auch die Zusammenarbeit mit den internationalen Anti-Doping-Behörden ab. So dass die Radsportler wieder einmal die Gelackmeierten sind. Sie bezahlten als Einzige die Fuentes-Zeche und sehen sich einem dauerhaften Doping-Generalverdacht ausgesetzt, der im Grunde genommen aber für den gesamten Spitzensport des 21. Jahrhunderts gelten müsste.

Immerhin hatte der Fuentes-Skandal aber auch seine positiven Konsequenzen. Die Radsportler kamen durch den biologischen Pass in Sachen Dopingbekämpfung einen großen Schritt voran und Spanien bekam ein Anti-Doping-Gesetz. Das neue Gesetz machte den Fuentes-Prozess erst möglich, auch wenn der Ausgang für die Sportwelt doch arg enttäuschend war.