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Die Scham überwinden

Die Scham überwinden

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Laut Statec-Schätzungen werden im Jahr 2050 etwa 29 Prozent der Einwohner des Landes älter als 65 sein (zurzeit beträgt diese Quote knapp 14 Prozent).

Mit dem Lebensalter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken: So sind etwa 1,6 Prozent der 65- bis 69-Jährigen von einer Demenzerkrankung betroffen, bei den Menschen über 95 steigt diese Quote auf 32,4 Prozent (Männer) bzw. 48,8 Prozent (Frauen).

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Mit steigender Lebenserwartung nimmt demnach die Zahl der Demenzerkrankungen, von denen Alzheimer die bekannteste und häufigste ist (60 Prozent der Erkrankungen), dramatisch zu. Luxemburg reagiert nun mit einem (überfälligen) nationalen Aktionsplan, dem zwar noch eine konkrete „road map“ fehlt, der aber immerhin das Verdienst hat, das Tabuthema in die Öffentlichkeit zu bringen.

Ähnlich wie dies bei anderen Krankheiten der Fall ist, wird Demenz in einer auf Jugend und Leistungsfähigkeit orientierten Gesellschaft tabuisiert; die Betroffenen und ihre Familien wollen sich allzu oft nicht eingestehen, weshalb sie Namen, Orte, Handlungsmuster usw. vergessen bzw. einfachste Tätigkeiten nicht mehr bewältigen können.

Oft wollen sich die Betroffenen selbst ihre Krankheit so lange nicht eingestehen, bis kaum mehr medizinische Hilfe möglich ist. Und die gibt es in Form von mittlerweile zahlreichen Medikamenten, die zwar nicht heilend, dafür aber bremsend wirken und so die Lebensqualität der Patienten steigern können.

Respekt der Person

Die Medizin ist aber nur ein Aspekt der Thematik. Selbst wenn ältere Menschen sich seltsam benehmen und nicht mehr rational funktionieren, sagt dies nichts über ihre Gefühlswelt aus. Auch schwer an Alzheimer Erkrankte haben Gefühle, können Freude und Glück empfinden … Ihnen mit Respekt zu begegnen, setzt u.a. Kenntnisse über die Krankheit voraus, die Basis für Verständnis und angepasstes Verhalten sind.

Die Betroffenen brauchen eine entsprechende Betreuung, die einerseits in den eigenen vier Wänden geschehen kann: Um die Familienangehörigen aber nicht bis zur Selbstaufgabe zu belasten (O-Ton Gesundheitsminister), ist hier andererseits eine professionelle Unterstützung nötig. Zwei Drittel der Demenzkranken sind allerdings jetzt schon in Pflegeeinrichtungen untergebracht.

Der am Montag vorgestellte nationale Aktionsplan (vergl. unseren Beitrag auf Seite 10 dieser Ausgabe) setzt in einer ersten Phase auf Aufklärung und Enttabuisierung der Demenzkrankheiten, und dies ist auch gut so.

Erst wenn eine gesellschaftliche Akzeptanz besteht, wird die Scham der Betroffenen und der Angehörigen verschwinden und effizientes Gegensteuern möglich. Hierzu gehört auch eine allgemeine Prävention, was über eine gesunde Lebensführung hinaus auch eine aktive Teilnahme am sozialen Leben und intellektuelle Flexibilität beinhaltet.

Isolation ist der falsche Weg, dies sowohl nach dem Abschied aus dem „aktiven Leben“ als auch im Falle einer Erkrankung.