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Der Abbau ist das Programm

Der Abbau ist das Programm
(Tageblatt-Archiv/Alain Rischard)

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Darüber sind sich Demokraten einig: Der Staat hat für gerechte und geordnete Verhältnisse zu sorgen, in allen ihm anvertrauten Bereichen. Das ist die grundsätzliche Anforderung, deren Umsetzung politisch zu diskutieren ist.

Kritik, massivste Kritik wird dann notwendig, wenn wesentliche Ziele des Gemeinwesens nicht mehr gewährt sind wie z.B. das Recht auf Arbeit.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Einfacher lässt sich das Versagen der Europäischen Union nicht auf den Punkt bringen. Die Arbeitslosenraten haben in den meisten Mitgliedstaaten Höhen erreicht, die ethisch nicht zumutbar sind. Niemand hat das Recht, Millionen und Abermillionen Menschen das Leben zu versauen, wie das zurzeit unter Berufung auf die angebliche Notwendigkeit der Austeritätspolitiken geschieht.

In Luxemburg, wo die Brüssel-hörige Regierungskoalition im vorauseilenden Gehorsam mehr spart als nach strengsten Kriterien notwendig, leiden Handwerk, Handel, Kleinindustrie und inländische Dienstleistung in einem Maße, das Entlassungen unausweichlich macht.

Immer mehr Unternehmen, darunter solche, die traditionell Arbeitsplätze für die ganze Karriere boten, sind wegen des sinkenden Konsums, des zunehmenden Drucks der Steuerbehörden und der sinkenden Kreditbereitschaft der Banken zum Abbau gezwungen.

Vor der Finanzkrise gehörte eine Bank erst ab 20 Prozent Ertrag zum Club der Besseren. Heute liegt die Exzellenzlatte bei acht Prozent, was den Kapitaleignern und ihren Finanz-Ingenieuren (-Jongleuren) nicht reicht. So gehen denn viele Geldhäuser auf den Kurs des Desengagements. Ganze Branchen werden, weil laut bankeninterner Analysen nicht zu höheren Profiten fähig, zur schnellen Reduzierung ihrer Schulden gezwungen; neue Kredite, etwa zum Überbrücken der Krise, bekommen sie nicht.

Anzeichen dafür, dass ganz Europa aus der Sicht des Kapitals erst am Beginn der Zerschlagung seiner Sozialstaaten steht, gibt es auch in Luxemburg zuhauf. Brüssel und OECD erinnern immer wieder an die Pflicht zu mehr Haushaltsdisziplin, zu Null-Inflations-Ausgleich, zur Kürzung der Renten, zur Senkung der Krankheitskosten, zur „Liberalisierung“ (lies: Aufgabe) des Arbeitsrechts.

Kein Geringerer als der oberste Luxemburger Agent des Kapitals, Finanzminister Frieden, der jetzt schon auf Wahltournee für die CSV geht (cf. Hesperingen), schürt die Angst vor dem politischen Streit und dem gewerkschaftlichen Kampf um die Arbeitnehmer-Rechte. Schematisch wäre sein Weltbild folgendes: Draußen die erfolgreichen Staaten, wo die Top-Renditen einem in den Schoß fallen, hier das alte Europa, das sich an überholte Privilegien klammert.

Spräche so ein künftiger Staatsminister, wenn er sich nicht zu einschneidenden Reformen zugunsten seiner Freunde berufen fühlte?

So spricht einer, der weiß, dass die CSV, trotz ihrer finanziellen (verprasste Reserven!) und politischen (Bommeleeër!) Misswirtschaft, Luxemburg weiter regieren wird, auf die Komplizität einer der kleinen Parteien zählen kann. Verabschiedet sich die LSAP aus der Regierung, dann kommt halt die DP dran, oder es wären die Grünen, wenn die DP maulte, oder umgekehrt.

Misstrauen kommt auf

Man stelle sich vorsichtigerweise darauf ein, dass die nach den nächsten Wahlen zwar geschwächte XXL-CSV noch immer mehr als doppelt so viele Sitze im Parlament zählen wird als, vor einer einzigen Generation, die ihr ebenbürtige LSAP und als die ebenfalls in S-Größe antretende DP bzw. „gréng“.

Und dass sie, folgerichtig, mit dem genehmsten, mit dem gefügigsten Partner die Politik macht, die in ihrem innersten Kreis beschlossen wurde.

Das Programm heißt: Abbau.

Lässt sich die soziale Herabstufung Luxemburgs, die Angleichung an die ärmeren Nachbarn, die Vorbereitung auf eine Drittweltrolle in zwanzig,
dreißig Jahren noch verhindern?

Vielleicht.

Irgendwie zieht Misstrauen auf. Und Ärger. Und Lust, aufzuräumen.