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Klagen um Klagenfurt

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Am Mittwochabend eröffnet der Schriftsteller Michael Köhlmeier mit seiner Rede „Betrogene Liebe“ den 37. Bachmann-Wettbewerb, das Lesefestival deutschsprachiger Literatur in Klagenfurt, das mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises am 7. Juli seinen Höhepunkt erreicht.

Es könnte das letzte Mal sein, denn der ORF – seit 25 Jahren Partner der Literaturtage – hat angekündigt, auszusteigen und die Lesungen auch nicht mehr auf dem Gemeinschaftssender 3sat zu übertragen. Schließlich sei Krise, es müsse gespart werden. Und 350.000 Euro seien zu viel für die Produktion solch einer Veranstaltung.

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Wenige Sekunden nach der Meldung zirkulierten im Internet bereits die ersten Reaktionen. Reaktionen der Empörung, der Verachtung, des Unverständnisses und letztendlich der Ernüchterung. Dort, wo Dummheit zum allgemeinen Bildungsideal geworden sei (Quote statt Qualität: Castingshows, Dschungelcamps, Kochsendungen), habe es die Literatur nun einmal schwer, so der allgemeine Tenor von Schriftstellern, Journalisten oder Juroren.

350.000 Euro seien eine lächerliche Summe für einen öffentlich-rechtlichen Sender mit Kulturauftrag, befindet die österreichische Gewerkschaft der Autorinnen und Autoren. Schließlich seien 100 Millionen Euro alleine für Sportrechte ja auch drin im Budget. Wenn der Sender mit der Übertragung des Opernballs seinen öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag zu erfüllen meine, habe er seinen endgültigen Bankrott erklärt, heißt es weiter.

Sprengt Bibliotheken!

Franzobel, einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller Österreichs, der auch beim „Printemps des poètes“ in diesem Jahr in Luxemburg eingeladen war, flüchtet sich vor lauter Empörung in die Ironie und gratuliert: „Schafft den Bachmann-Preis ab, verbrennt alle Bücher, sprengt Bibliotheken und streicht den Deutschunterricht. Bravo. Und die letzten unbeugsamen Leser sperrt ins Ghetto.“

Und dann gibt es da die anderen: Jene, die wahrscheinlich noch nicht eingeladen wurden nach Klagenfurt. Jene, die die Tage rund um den Bachmann-Preis als „medial aufgemotzten Wettbewerb“ sehen, der nicht der Literatur, sondern – wenn überhaupt – nur dem Literaturbetrieb nütze. Jene, die in der Abschaffung des Bachmann-Preises einen wichtigen Anfang sehen, da es zu viele durchschnittliche Bücher gebe, zu viele bedeutungslose Preise und deshalb zu wenig Raum für Neues. Jene, die dem „Denken auf der Bühne“ misstrauen und das Bild des verschrobenen Schriftstellers in seinem Kabuff konservieren möchten.

Doch Literatur braucht Aufmerksamkeit. Und die Literaturtage in Klagenfurt geben ihr diese, indem sie ein breites Publikum an kultureller Kreativität teilhaben lassen. Autoren selbst stellen ihre neuen Texte vor, der Leser sitzt an der Quelle, hört das Original. Authentischer kann Kulturvermittlung kaum sein. Auch wenn nicht jedes Jahr ein Meisterwerk dabei ist, auch wenn viele Lesungen durchschnittlich sind, es braucht sie, damit sich das Ausnahmewerk dann und wann herauskristallisieren kann.

In Luxemburg hat man dies verstanden. Hier laden sie alle zusammen – Verleger, Autoren, Kritiker und Wissenschaftler – zum „Summerdag vun der Lëtzebuerger Literatur“ ein, hier scheut man sich nicht, mit Wein und Schnittchen zu werben, um die Literatur, besonders die einheimische, populärer zu machen.

Vielleicht ist es weder das liebe Geld noch die gute Literatur, die in Kärnten fehlt, sondern einzig und allein der leckere Wein?