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Neue Gesichter gesucht

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Nachdem es ihm nicht geglückt war, im Rahmen einer medienwirksam inszenierten US-Reise den Amerikanern Details über ihr NSA-Spähprogramm zu entlocken, hat der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich nun in Deutschland das Recht auf Sicherheit zum „Supergrundrecht“ ausgerufen, dem alles andere sich unterzuordnen hat.

Auch Illegales und Spionage. Hauptsache Sicherheit. Der Vorgang ist bezeichnend für viele Aspekte der europäischen Politik.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Gegenüber den USA einknicken, sich nett bedanken und sich freundlich den Amerikanern zurückwinkend verabschieden. Zu Hause dann der große, bekennende Auftritt. Wer soll eine solche EU noch ernst nehmen?

Das Ganze ist lächerlich und erniedrigend. Aber so geht das zurzeit in Europa. Denn der EU fehlen entscheidende Dinge, von rein Personellem einmal abgesehen, auch wenn dies sicher mit der augenblicklichen Lage viel zu tun hat. Die EU hat keine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. In internationalen Verhandlungen ist sie zwar ein gefragter Partner, weil sie immer noch die stärkste Wirtschaftsmacht darstellt und für humanitäre Werte steht. Aber sobald andere Kriterien ins Spiel kommen, etwa sicherheitspolitische oder militärische, wird die EU zwar konsultiert, aber nicht gehört. Dann wird wieder alleine auf der französischen oder britischen Klaviatur gespielt, mit oder ohne NATO, im Dienste anderer. Und der Rest nickt ab.

Der Überheblichkeit gegenüber der EU entgegenzuwirken, bedürfte es Politiker von Format, derer die EU aber nicht genug hat. Was auch an ihrer Organisation liegt, die eine einheitliche Politik in vielen Dingen verhindert. Dabei könnte nur eine solche ihren Stellenwert nach außen hin steigern. Stattdessen wird bei wichtigen Fragen so lange diskutiert, zerredet und verhandelt, bis nur mehr die gute Absicht übrig bleibt, wenn überhaupt. Klare Positionen beziehen die meisten EU-Politiker nur wenn eigene, nationale Interessen berührt sind. Ob Bankgeheimnisse oder andere. Ansonsten herrscht zumeist hektisches, kontradiktorisch-argumentatives Durcheinander.

Weg vom Zaudern

Paradebeispiel ist der Versuch, „die Krise“ zu bewältigen. Während in den USA, die die Dinge anders als mit einer rigiden „Sparpolitik“ angingen, wieder Wachstum um zwei Prozent angesagt ist, und sogar eine Haushaltskonsolidierung von 1,8% möglich ist, krebst man in Europa immer noch um die Null-Prozent-Grenze herum. Doch statt sich dagegenzustemmen, den Kurs endlich umzukrempeln, verlässt man sich weiterhin auf einseitiges Sparen, das jeden Wachstumsansatz im Keime erstickt. Die täglich neuen Durchhalteparolen überzeugen immer weniger. So sind es die Politiker der EU selber, die die EU-Skepsis schüren, um sich anschließend über eben diese zu beklagen. Statt neuen Schwung in den Laden zu bringen, stehen sie für Stillstand, und Resignation.

Die Einzigen, die wieder etwas erwirtschaften, sind die Finanziers. 1,7 Millionen verdienten Top-Banker in Luxemburg im Schnitt im letzten Jahr. Nur ihre spanischen und griechischen Kollegen lagen noch vor ihnen, mit über zwei Millionen Euro. Dank einer „Sparpolitik“, die Europa spaltet und vielerorts an den sozialen Abgrund zu drängen droht. Niemand der ach so gestandenen EU-Politiker, zum Teil seit Jahren am Werk, scheint sich daran zu stören, dass Verursacher wieder scheffeln, während Leidtragende immer noch darben. Wenig förderlich für politische Glaubwürdigkeit.

Da freut es einen denn doch, dass es inzwischen auch andere Stimmen gibt. Nicht nur die eines Hollande oder eines Letta. Auch in Brüssel scheint man aufzuwachen, So will EU-Kommissarin Viviane Reding die Troika endlich wieder nach Hause schicken. Und die Kommission einigt sich auf eine gemeinsame Haltung zu den von Israel illegal besetzt gehaltenen Gebieten.

Das ist der richtige Weg. Weg vom Zaudern, weg von dem ewigen, unsäglichen Krisen-Gezeter, das niemand mehr hören kann. Hin zu einer richtigen, eigenen EU-Politik mit Ideen und Konzepten, die den Bürger und das Gemeinsame wieder in den Mittelpunkt rückt, statt den Pessimismus-Karren ständig vor sich herzuschieben, zu trennen oder belehrend vorzuschreiben.

Nicht nur in Luxemburg sind neue Gesichter gesucht.