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Deutliche Signale

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Die Aufregung in Israel war groß, als vergangene Woche die Europäische Union ihre Leitlinien publizierte, in denen festgelegt ist, dass künftig alle von Israel 1967 besetzten Gebiete von den EU-Förderprogrammen ausgeschlossen werden.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen und er meinte gar, dass diese Entscheidung den Friedensprozess in der Region negativ beeinflussen könnte.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Was den Ministerpräsidenten zu dieser Reaktion bewegte, war wohl weniger die Aussicht auf den Verlust so mancher finanzieller Zuwendung aus der EU-Kasse für israelische Unternehmen oder Investitionen in seinem Land. Nicht die wirtschaftliche, sondern die politische Komponente der Leitlinien hat Benjamin Netanjahu sicherlich aufgebracht. Doch dürfte dies den israelischen Ministerpräsidenten nicht unvorbereitet getroffen haben. Denn die EU-Kommission bezieht sich ausdrücklich auf einen Beschluss der EU-Außenminister vom Dezember vergangenen Jahres, in dem diese festgelegt haben, „dass in allen Abkommen zwischen dem Staat Israel und der Europäischen Union unmissverständlich und ausdrücklich zu erklären ist, dass sie nicht für die von Israel 1967 besetzten Gebiete gelten“. Die Brüsseler Behörde setzt damit lediglich einen einstimmigen Beschluss um, den die damals noch 27 EU-Staaten gefasst haben.

Status quo nicht hinnehmbar

Und das dürfte den israelischen Regierungschef nun besonders geärgert haben, dass in einem offiziellen Dokument der EU deutlich klargestellt wird, dass die Europäer in ihrer Gesamtheit die Golanhöhen, Ost-Jerusalem, den Gazastreifen und das Westjordanland als nicht unter die Souveränität Israels fallende und teilweise besetzte Gebiete ansehen. Dabei hatte sich die israelische Regierung darauf verlegt, zu argumentieren, dass der Grenzverlauf zwischen einem palästinensischen Staat und Israel nur in beiderseitigen Verhandlungen festgelegt werden könne. Außenstehenden, wie eben der EU, stünde es demnach nicht zu, darüber zu urteilen, was zu den besetzten Gebieten zählen soll.

Doch machen nun die Europäer ausdrücklich klar, dass sie auch die Golanhöhen und das (noch) vorwiegend von Palästinensern besiedelte Ost-Jerusalem nicht als Teil des Staates Israel anerkennen. All dies ist insofern von Bedeutung, als damit auch einem Benjamin Netanjahu klar geworden ist, dass selbst so verlässliche Partner wie Deutschland nicht gewillt sind, den zu lange andauernden Status quo in der Palästinenser-Frage hinzunehmen und Israel den Rücken freizuhalten.

Sicherlich ist es Zufall, dass gerade am Freitag, als die EU ihre Leitlinien publik machte, US-Außenminister John Kerry verkündete, dass sich Palästinenser und Israelis prinzipiell zur Aufnahme neuer Verhandlungen bereit erklärt hätten. Bislang spielten die Europäer im Nahost-Friedensprozess eher eine Nebenrolle. Sie durften zwar mit dem nutzlosen Tony Blair den Präsidenten für das ebenso nutzlose Nahost-Quartett stellen.

Doch tragen auch solche Schritte wie der EU-Beschluss über die besetzten Gebiete mit dazu bei, dass sich etwas bewegt. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob der israelische Regierungschef diese und andere Signale richtig zu interpretieren weiß und, wie versprochen, ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern aufnimmt.

Immerhin haben die Europäer Benjamin Netanjahu am Montag auch einen Moment der Zufriedenheit beschert, indem sie den militärischen Arm der Hisbollah in ihre Liste der Terrororganisationen aufgenommen haben.