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Verzerrung des Marktes

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Ein Urteil mit weitreichender Konsequenz für Sportfans fällte am Donnerstag (18.07.13) der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Kirchberg.

Die Dachverbände des internationalen Sports dürfen demnach Übertragungsrechte an Großereignissen wie Fußball-Welt- und Europameisterschaften oder aber Olympischen Spielen nicht exklusiv ans Bezahlfernsehen verkaufen.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Der Gerichtshof war der Meinung, dass „Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ jedem zugänglich sein sollten und deshalb im frei empfangbaren TV zu sehen sein müssten. Dem widersprechen der Fußball-Weltverband FIFA und sein europäischer Ableger UEFA. Sie sehen es offensichtlich lieber, wenn sich das Bezahlfernsehen mit noch mehr Geld Exklusivität erkauft, die sie dann an den Kunden, also den Zuschauer, weiterverkaufen kann.

Eine „Verzerrung des Marktes“ nannte die FIFA das Urteil. Mit dem Richterspruch, legte die UEFA nach, würde „der Markt verfälscht und die Aussichten auf zusätzliche Finanzspritzen für den Amateurbereich und den Frauenfußball reduziert“. Eine absolut bemerkenswerte Aussage, offenbart sie doch die hässliche, profitorientierte Fratze beider Verbände. Ähnlich argumentiert der Millionär, der dem Bettler nichts gibt, weil er nur große Scheine hat.

900 Millionen Euro Eigenkapital

1,825 Milliarden Euro nahm die FIFA durch die weltweiten Übertragungsrechte der WM 2010 ein. Dazu kommen noch 810 Millionen Euro durch Marketing bzw. Sponsoring. Obwohl ein Großteil der Einnahmen an die Mitgliederverbände ausgeschüttet wird, verfügt die FIFA über ein Eigenkapital von fast 900 Millionen Euro. Nicht schlecht für einen Sportverband, der per Definition eine nicht profitorientierte Organisation ist und deshalb in der Schweiz, wo die FIFA in Zürich ihren Sitz hat, kaum Steuern zu zahlen braucht.

Das EuGH-Urteil bedeutet für die FIFA nichts anderes, als dass die Einnahmen aus dem Verkauf der Übertragungsrechte in Zukunft nicht mehr bis ins Unendliche potenziert werden können. Dadurch wird die weltweit populärste Sportart jedoch kaum kollabieren, auch wenn Sepp Blatter und Co. uns das mit dem mahnenden Zeigefinger in Richtung Amateur- und Frauenfußball vielleicht weismachen wollen.

Denn das profitorientierte Handeln von FIFA und UEFA geht auf Kosten des kleinsten Glieds der „Fußball-Nahrungskette“, des Fans. Fernsehanstalten diktieren den Spielplan und sind für die Zerstückelung von Spieltagen mit zuschauerunfreundlichen Anstoßzeiten verantwortlich. Ablösesummen und Spielergehälter werden durch die Geldflutung immer höher. Und die Vereine, die nicht an die internationalen Fleischtöpfe des Fußballs
(= Europapokal) gelangen, müssen die fehlenden Einnahmen kompensieren, wollen sie im eigenen Lande konkurrenzfähig bleiben. Das geschieht in der Regel über teurere Eintrittskarten und Fanartikel.

Was wiederum ganz im Sinne der TV-Sender ist, denn wenn sich nicht mehr alle den Stadionbesuch leisten können, dann bekommt die Live-Übertragung im Fernsehen eine größere Bedeutung. Ein Teufelskreis. Genau wie die Ausschüttung der Fernsehgelder an die Vereine. Die folgt ebenfalls nach kapitalistischem Muster, so dass die (erfolg)reichen Vereine immer reicher werden und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht. Dabei ist es doch gerade die Chancengleichheit, die den Reiz des Sports ausmacht.

Zum Abschluss noch einmal zum Amateur- und Frauenfußball. „Zusätzliche Finanzspritzen“ hierfür von FIFA und UEFA sollten in Anbetracht der beträchtlichen Reserven doch durchaus drin sein. Falls nicht, dann könnte doch mal jemand die Definition einer nicht profitorientierten Organisation nachschlagen.