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Mythos und Realität

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Bereits vor dem „offiziellen“ Beginn des Wahlkampfs zeichnet sich ab, welche Themen in den nächsten Monaten eine wohl wichtige Rolle spielen werden. Eines davon wird zweifelsohne das Thema Staatsfinanzen und -Verschuldung sein. Dabei wird in der Diskussion vor allem auf Polemik und Ideologie gesetzt.

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Der CSV-Finanzminister kündigte bei der letzten Vorstellung der Lage der öffentlichen Finanzen die Richtung an und meinte, es sei nicht die Zeit für Versprechen. Die DP klagt bereits seit Monaten über die angeblich katastrophale Lage der Staatsfinanzen. Wer sich diese Woche den Diskurs der ADR auf ihrem Kongress anhörte, hätte sogar denken können, der Luxemburger Staat stünde am Rande der Pleite. Das entspricht natürlich keineswegs der Realität. Im Gegenteil.

Im internationalen Vergleich gibt Luxemburg eine gute Figur ab. Das Großherzogtum ist eines der wenigen EU-Länder, die noch immer die Maastricht-Kriterien (Defizitquote unter 3% und Schuldenstandsquote unter 60% des BIP) einhalten. Doch das ganze Gejammer über die finanzielle Situation bedeutet nichts anderes, als dass die Bevölkerung auf weitere „Sparmaßnahmen“ eingeschworen wird, auch wenn das nicht immer so deutlich gesagt wird, Wahlkampf oblige.

Eine solche Einstellung ist keine luxemburgische Spezifität, sondern lehnt sich an die in Europa dominierende Mentalität an. Die Staatsverschuldung wird verteufelt und als regelrechtes Panikwort benutzt. Das Prinzip der Austerität wird dann als Allheilmittel verkauft, obwohl es in Wahrheit Gift für die Wirtschaft ist.

Auf eine kohärente Argumentation, warum öffentliche Schuld notgedrungen schlecht sein soll, wartet man meistens vergeblich. Denn ein Mythos, der ständig wiederholt und als unantastbarer Fakt dargestellt wird, wird mit der Zeit als allgemein anerkannte Wahrheit betrachtet.

In einem beachtenswerten Artikel mit dem Titel „Verrechnet!“ hat die deutsche Referenzzeitung Die Zeit vor rund einem Monat nacherzählt, wie ein damals noch unbekannter Student, Thomas Herndon, den Rechenfehler von Top-Ökonomen aufdeckte und bewies, dass es keinen bestimmten Verschuldungsgrad gibt, ab dem das Wirtschaftswachstum durch öffentliche Verschuldung gedämpft wird.

Die Wirtschaftswissenschaftler Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart hatten in einer Studie eine maximale Verschuldungsquote von 90 Prozent errechnet. Doch sie hatten sich eben verrechnet. Die Studie wurde quasi systematisch dazu missbraucht, um das neoliberale Spardogma und den sich in ganz Europa ausbreitenden Austeritätskurs „wissenschaftlich“ zu rechtfertigen.

Noch keine Kursänderung

Heute sollte eigentlich bekannt sein, dass sich Europa auf dem Holzweg befindet. Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) musste zugeben, dass man sich mit dem Austeritätsglauben geirrt hatte. Diese Botschaft ist aber anscheinend immer noch nicht bei der Politik angekommen. Eine wirkliche Kursänderung ist bisher nämlich nicht erfolgt. In Südeuropa wird weiter Sozialabbau betrieben und die Menschen versinken immer tiefer in der sozialen Misere.

Auch in Luxemburg sorgen sich zahlreiche Politiker weiterhin mehr um Begriffe wie Staatsdefizit und Verschuldung als um die Verteidigung und die Konsolidierung der Errungenschaften des Sozialstaats.