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Affe oder Mensch

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Spiegel-Kritiker Georg Diez ärgert sich mal wieder. Dieses Mal über all die „ferngesteuerten Affen“ auf Facebook. Je größer der Freundeskreis unter diesen Affen werde, desto kleiner werde im Gegenzug die Welt, in der sie lebten.

Eine Welt, die wir alle – durch welches Medium auch immer – kennen, eine Welt, in der Überraschungen immer seltener werden, Komplexität verloren geht, und vor allem, in der triviale Details eine künstliche Wichtigkeit bekommen.

Logo" class="infobox_img" />Janina Strötgen

jstroetgen@tageblatt.lu

Tunnelblick nennt man das wohl. Nur dass am Ende des Tunnels leider kein Licht, sondern, naja, Affiges wartet. Zum Beispiel blöde Statusmeldungen, bescheuerte Werbungen, belanglose Dialoge oder banale Fotos. Wie etwa die von Spitzenkandidaten. Spitzenkandidaten, die auf der Braderie Obst verteilen, aber nicht irgendein Obst: Keine orangene Orangen, Äpfel schon gar nicht, nur Birnen. Köstliche Birnen. Spitzenkandidaten, die grinsend grüne Windmühlen basteln. Oder Spitzenkandidaten, die auf roten Bierbänken sitzen und rote Wurst futtern beim Ro-, Ro-, Rotary-Club.

Wir können dies alles „liken“, und so, obwohl wir selbst nicht auf der Braderie (oder im Rotary-Club) waren, irgendwie dazugehören. Zu diesen – die Bilder suggerieren es – lustigen Runden. Wir können uns aber auch einfach nur fürchterlich langweilen. Uns langweilen, aufstehen und gehen. Die Langeweile ist auch die große Hoffnung von Georg Diez. Denn, wie schon Goethe und Voltaire wussten, wenn Affen sich langweilen, dann werden sie zu Menschen.

Revolutionäre Kraft der Langeweile

Die Langeweile ist eines der stärksten Mittel, die wir haben. Mit einer ungeheuren revolutionären Kraft. Wenn der Überdruss zu groß wird, dann werden wir kreativ. Langeweile ist es, die uns am ehesten aus unserer „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ herausführen kann. Natürlich nicht die banale Langeweile, die im Stau auf der Autobahn, an der Supermarktkasse oder im Wartezimmer beim Arzt, wo uns die Zeit einfach zu lang wird, wo Langeweile nichts weiter ist als eine als negativ empfundene Zeitspanne. Nein, die Rede ist von der existenziellen Langeweile, jener, die griechische Philosophen einst „Acedia“ und Blaise Pascal sowie Charles Baudelaire dann später „ennui“ nannten. Jene, die wehtut, weil sie Sinnfragen aufwirft und uns dazu zwingt, Entscheidungen zu treffen für eine sinnvolle Gestaltung unserer Lebenszeit. Auf den ersten Blick mag es vielleicht paradox erscheinen, sich heute überhaupt langweilen zu können. Bei all den E-Mails, SMS, Anrufen, Aufträgen, Besprechungen und Abgabeterminen, bei all den Veranstaltungen, Pflichtessen, Vergnügungsparks und Plaudereien, die uns ständig und überall umgeben und niemals loszulassen scheinen.

Doch auch wenn es wohl stimmt, dass wir immer etwas zu tun haben (könnten), langweilen wir uns. Weil viele der Dinge, die wir scheinbar nun mal zu tun haben, unserem Leben keine Bedeutung geben. Statt Befriedigung hinterlassen sie oft ein Gefühl der Sinnlosigkeit und der Leere. Dieses Gefühl mündet nicht selten in Langeweile. Langeweile beim E-Mails-Lesen, Langeweile bei Briefings und Besprechungen, Langeweile beim Durchklicken der Fotos auf Facebook. Langeweile als die vielleicht einzige intelligente Antwort auf ein überladendes und ausladendes Angebot aus Dekadenz, Konsum, Voyeurismus und Völlerei.

Wir sollten aufpassen, dass wir die Kurve kriegen und den Stecker herausziehen, bevor die Langeweile uns umbringt. Schließlich kann man sich auch zu Tode langweilen, wie schon das Sprichwort sagt. Und dann ist alles zu spät. Für den Affen. Und für den Menschen.