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«Ich will weiterregieren»

«Ich will weiterregieren»
(Pierre Matgé)

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Da kommt einer aus dem Urlaub (Italien; dort klammert sich Berlusconi an die Macht) und findet im Briefkasten einen ersten Wahlprospekt, einen von der CSV: „Ich will weiterregieren!“

Ich.
Ich, euer Juncker.
Ich hab das Recht zum Weiterregieren verdient. Überall Ehren, Orden, Professuren honoris causa, insbesondere in Deutschland; Merkel weiß meine Verdienste um die Unterstützung ihrer Politik zu schätzen, auch wenn sie mich nicht zum EU-Ratspräsidenten machte; aber was nicht war, kann ja werden, noch ist nicht aller Tage Abend. – Wer hat mich verraten? Sozialdemokraten! Luxemburger Sozialdemokraten! Wegen dieser lächerlichen Geheimdienststory. Den Luc winkten sie durch, trotz seiner vielen Affären, mich wollten sie, mich!

asold@tageblatt.lu

Aber diese falschen Hunde hab ich prächtig abgestraft. Es gab kein Misstrauensvotum in der Kammer, alle saßen wie versteinert da, als ich verkündete, nun würde ich dem Großherzog vorgezogene Wahlen vorschlagen. Keine Neuwahlen, wie sie sich nach einem Regierungssturz und der darauf folgenden Auflösung des Parlamentes ergeben hätten. Ha! Für Europa und die Welt bin ich noch immer der Luxemburger Premier, der es sowieso bleiben wird; mich hat keiner desavouiert, denn es kam nicht zur Abstimmung; alle Diplomaten meldeten nach Hause, dass ich die Lage bestens kontrollierte. Richtig, gebe ich zu
in aller Bescheidenheit, denn ich bin ein Euro-Profi, die Kollegen vom Krautmarkt boxen bestenfalls in der Provinzpossenklasse.

Am nächsten Sonntag gewinnt Angie per K.o., und dann können wir reden, wir beide, diese tolle Frau und ich. Van Rompuy, der mit dem 28.000-Euro-Gehalt, geht nächstes Jahr in Pension; natürlich stünde ich für seine Nachfolge nicht zur Verfügung, denn Luxemburg liegt mir so sehr am Herzen. In der Zeitung las ich, welche Probleme die dort inzwischen haben: über 17.000 Arbeitslose, überteuerte Mieten und Immobilienpreise, obschon ich den Wohnungsbau zur Chefsache erklärt hatte, unhaltbare Zustände in den Schulen, wo die Lehrerschaft gegen Mady auftritt, und eine wirklich miese finanzielle Bilanz: Luc verabschiedet sich, las ich gestern im Wort, mit „einem jährlichen Defizit des Zentralstaates in Höhe von einer Milliarde Euro und mit einer öffentlichen Schuld von 25% des BIP“, dazu noch das „Damoklesschwert der schwindenden Mehrwertsteuer aus dem elektronischen Handel“. Mein Gott, Damoklesschwert, was haben die für Metaphern!

Da rede ich besser. Man reiche mir ein RTL-Mikrofon, auf das vom lieben DNR kann ich verzichten, man lasse die RTL-TV-Kamera mich erblicken, und das Land ist meins; keiner reicht mir das Wasser, nicht einmal dieser komische Vogel, der in die Falle der verbalen Exzesse flöge, wenn er mit mir streiten dürfte.

Nerven braucht der Politprofi in allen Lebenslagen; er muss gefallen können, und das Gefallenkönnen ist meine beste Kunst. Wetten, dass ich, das Opfer, der konservative Schönredner, besser gefallen werde als die Erneuerer? Die Luxemburger wollen nichts Neues, die wollen bleiben, was sie sind.
Eine Dreierkoalition gegen mich?
Da lach ich, fast wollt ich sagen, da lach ich mich tot, aber tot will ich nicht sein, ich will weiterregieren, und das werde ich können, mit der DP am besten. Dem Land erklärte der gute Xavier gestern, ich sei ja schließlich nicht durch einen Putsch an die Macht gekommen, die Leute hätten mich gewählt. Wenn die Leute mich wiederwählen, was ich erwarte, bin ich aus Xaviers Sicht über die SREL-Affäre erhaben; also kann er gerne mein Außenminister werden.

Eines Tages kapieren sie es

Und die „gréng“: Glaubt jemand im Ernst, einer wie B. würde mich aus ideologischen, moralischen oder ethischen Gründen als Premier einer CSV-Grünen-Koalition ablehnen? Er und die Seinen träumen doch nur von dem Einen!

Mit den Sozialdemokraten würde ich lieber nicht ins Bett steigen.
Die erinnern sich immer öfter an Zeiten, die so lang nicht her sind, wo sie mit uns auf Augenhöhe diskutierten. Eines Tages kapieren sie es und verbinden ihren schleichenden Niedergang mit der von Teilen ihrer Führung gewollten Distanz zu den Gewerkschaften.
Nein, ich mag keinen starken Koalitionär. Wirklich nicht. Ich will regieren.
Ich.