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Effekthascherei

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Mehr als einer hat sich wohl die Frage gestellt: „Was bezweckt die CSV mit dem Vorschlag eines einheitlichen Werteunterrichts in der Sekundarschule?“ Die Verwunderung schwappte sogar auf das Wort über.

Ob die Aufregung des katholischen Kommentators nur gespielt war und auf ein abgekartetes Spiel zwischen Bistum und CSV hinweist, darüber lässt sich nur spekulieren. Eins ist jedoch sicher: Mit dem Vorschlag gelang den Strategen der Christ-Sozialen ein geschickter Schachzug.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Erstens stellen sich Jean-Claude Juncker und seine Mannen wieder einmal als große Partei des Konsenses dar, die gar nicht so konservativ ist, wie immer beschrieben wird. Zweitens hoffen sie damit auf einige der „gemäßigteren“ anti-klerikalen Stimmen aus der politischen Mitte. Mit „gemäßigt anti-klerikal“ meinen wir die Gruppe von Wählern, denen eine kleine Öffnung in Richtung laizistischer Staat fürs Erste genügt, auch wenn es nur ein Wahlversprechen ist. Der letzte richtige Kommunist (Juncker) zeigt den verdutzten Sozialdemokraten, Sozialisten und Liberalen wieder einmal, wie man links überholt.

(Nebenbei bemerkt: Neben dem Werteunterricht in der Sekundarschule soll der Religionsunterricht in der Grundschule weiter bestehen bleiben. In dem Alter, in dem die Kleinen am beeinflussbarsten sind, sollen sie selbstverständlich nicht einem gottlosen Unterricht ausgesetzt werden.) Beim CSV-Vorschlag gibt es eine weitere Seite zu beachten. Würde wirklich ein Werteunterricht eingeführt, stellt sich die Frage, was mit all den Religionslehrern passieren soll. Da sie Staatsbedienstete sind, können sie nicht auf die Straße gesetzt werden.

Kompetente Religionslehrer

Da es sich ja um ausgebildete Lehrer handelt – sie müssen wie jeder „Prof“ ein pädagogisches Praktikum absolvieren –, ist es nicht schwer zu erraten, wo all die Werteunterrichtslehrer herkommen sollen, die auf einmal gebraucht werden. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Sie sind vielleicht kompetent im pädagogischen Sinn. Das bedeutet aber noch lange nicht kompetent im Sinne, wie es sich Laizisten wünschen: Lehrer, die unvoreingenommen allgemein gültige Werte – nicht im Sinne einer Religion – vermitteln. Wir wiederholen: Wir sprechen Religionslehrern nicht ihre professionelle Kompetenz ab. Es wäre jedoch illusorisch zu glauben, dass sie ihren Glauben und ihre Überzeugungen zur Seite legen und nicht versuchen würden, diese Werte weiterzuvermitteln. Es genügt also nicht, bloß einen Werteunterricht einzuführen, es muss auch auf die Inhalte und deren Vermittlung geachtet werden.

Die Gefahr ist, dass sich liberale Wähler – im weitesten Sinne –, die einen Werteunterricht befürworten, vom CSV-Vorschlag verführen lassen. Sie könnten sich sagen, es sei effektiver, die CSV zu wählen als irgendeine linke Partei, bei der es nicht sicher ist, dass sie überhaupt in der Verantwortung stehen wird.

Diese Wähler könnten, wenn es darauf ankommt, eine böse Überraschung erleben und sich mit einer Erklärung wie der folgenden zufriedengeben müssen: „Angesichts der gesellschaftlichen Begebenheiten halten wir es für unrealistisch, sofort einen Werteunterricht einzuführen“ usw., usf.

Das Wort fragte sich vorige Woche: „Was will die CSV? Ist sie etwa auf Effekthascherei erpicht?“ Da wird der Bistumsschreiber wohl voll ins Schwarze getroffen haben.