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Himmel und Hölle

Himmel und Hölle

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Macht und Stärke dominieren nach wie vor das diplomatische Parkett. Dies wird in Zeiten globaler Machtverschiebungen deutlicher denn je.

Zahlreiche Staaten bekennen sich zwar in ihrer politischen Rhetorik zum Multilateralismus. In Wirklichkeit setzen die Großmächte aber nur auf nationale Interessen. Das Vorgehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) wird hierfür oft angeführt. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats instrumentalisieren beispielsweise den Syrien-Konflikt, um ihre politische Macht auszubauen. Es wird nur selten im Sinne der UN-Charta gehandelt.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Das Säbelrasseln der USA zeigte zuletzt, dass selbst Entscheidungen über Krieg und Frieden im Zweifelsfall an den UN vorbei getroffen werden können. Die russisch-chinesische Blockadehaltung lässt ihrerseits die Rufe nach einer Begründungspflicht von Vetos im Sicherheitsrat laut werden. Vor diesem Hintergrund taucht immer die gleiche Frage auf: Kann man auf die UN verzichten? Zyniker antworten mit einem eindeutigen Ja. Debattierclub, Parallelwelt, diplomatische Spielwiese – viel Gerede ohne konkrete Lösungsvorschläge, so die explizite Kritik. Implizit wird den UN vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, eine dem Weltfrieden ähnliche Situation zu schaffen. Doch hierin liegt das zentrale Missverständnis. Auch wenn die UN in ihrer Struktur veraltet und mit zahlreichen institutionellen Fehlern behaftet sind, stand der Weltfrieden noch nie auf der Agenda der Vereinten Nationen.

Der ehemalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld erkannte den wahren Sinn seines Arbeitgebers. Seine leicht verständliche, wenn auch religiös-schwülstig formulierte Botschaft lautete: „Die Vereinten Nationen wurden nicht geschaffen, um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu retten.“ Katastrophen wie ein erneuter Weltkrieg konnten bislang durch die Wahrung des internationalen Völkerrechts verhindert werden. Die Machtpolitik des Stärkeren und regionale Kriege wurden damit zwar nicht eliminiert, aber zumindest eingedämmt. Man erinnere sich an die Frage zur militärischen Intervention in Syrien und stelle sich folgendes Szenario vor: Was hätte Washington von einem Schlag – ohne absehbare Folgen – gegen das Assad-Regime abgehalten, wäre es nicht zu einer weltweiten Diskussion über eine mögliche Umgehung des UN-Sicherheitsrats gekommen? Und wieso hätte Moskau sich auf einen Deal zur Zerstörung der syrischen C-Waffen eingelassen, hätte es den Sicherheitsrat nicht gegeben? Es geht hier weniger um die Beweggründe der USA und Russlands, den Sicherheitsrat für ihre eigenen Interessen zu missbrauchen, sondern vielmehr darum, dass die beiden Großmächte ihre machtpolitischen Kämpfe weiterhin im Rahmen der Vereinten Nationen austragen müssen. Ein Paradebeispiel für Hammarskjölds Aufgabendefinition der UN.

Luxemburg und Australien

Es wäre allerdings blauäugig, zu behaupten, die am Sonntag begonnene Vernichtung des Assad’schen Chemiewaffenarsenals lindere das Leiden der Opfer des Bürgerkriegs. Das Töten nimmt trotz dieses UN-Erfolgs weiter seinen Lauf. Außerdem weiß niemand, wie viele chemische Waffen das Regime bereits ins Ausland geschmuggelt hat. Dass auf Initiative von zwei nicht-ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats, Luxemburg und Australien, eine präsidiale Erklärung für humanitäre Hilfe in Syrien einstimmig vom gesamten Sicherheitsrat angenommen wurde, ist positiv.

Obschon die Erklärung im Gegensatz zu einer UN-Resolution rechtlich nicht bindend ist, zeigt dieses Ereignis, dass gerade kleine Staaten Bewegung in die UN bringen können. Außenminister Jean Asselborn brachte dies auf den Punkt: „Luxemburg ist in der humanitären Frage absolut glaubwürdig, weil wir den humanitären Bereich getrennt vom politischen Bereich sehen.“