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Aus Liebe zum Buch

Aus Liebe zum Buch
(dpa)

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Es ist paradox: Einerseits stürmten so viele Besucher die Frankfurter Buchmesse wie in keinem Jahr zuvor, andererseits verging auch diese Messe nicht ohne Meckern und Klagen: Keiner liest mehr. Unsere Kultur verfällt. Wir verdummen. Und unsere Kinder erst!

Am lautesten jammerten jene, die wir hier, etwas lapidar und überspitzt dargestellt, romantische Idealisten nennen wollen: Fortgeschrittenes Alter, Bildungsbürgertum, Zeitabonnenten, Kulturreisende, Biogemüsekäufer. Jene, die sich von der Technik überrollt fühlen und gerne die gute alte Zeit verklären, in der die gesamte Familie am Sonntagnachmittag im Wohnzimmer beisammen saß, um bei einer Tasse Tee Bücher, anspruchsvolle natürlich, zu lesen. Im Hintergrund ein bisschen Jazz, aus Papas Sammlung.

Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu

Diese romantischen Idealisten haben die Tendenz, eine Buchmesse mit einem intellektuellen Lesezirkel zu verwechseln. Sie sind entsetzt, weil kaum jemand liest. Doch auf einer Buchmesse geht es nicht ums Lesen, sondern um Verkauf und Vermarktung, um Konkurrenz und Kommerz. Eine Buchmesse ist in erster Linie ein Geschäft. Ein Geschäft um das Buch. Ein Geschäft übrigens, das ziemlich gut zu laufen scheint. Denn während einer kurzen Woche hat das Buch es immerhin geschafft, beinahe eine halbe Million Menschen ganz real und zum Anfassen in einigen Frankfurter Messehallen zusammenzubringen, die sich alle – aus welchen Motiven auch immer – der Wichtigkeit des Gutes „Lesen“ bewusst sind. Das ist doch wohl erst einmal begrüßenswert.

Böses E-Book & arme Buchhändler

Doch nehmen wir sie ernst, unsere romantischen Idealisten, die einen Großteil der samstäglichen Messebesucher ausmachen und vor allem über das böse E-Book und die armen Buchhändler klagen.

Zum bösen E-Book: Elektronische Medien samt Digitalisierung seien schuld daran, dass unsere Lesekultur untergehe. Das ist aus mehreren Gründen Quatsch. Erstens: Es ist wissenschaftlich bewiesen: Es gibt keinen Clash der Lesekulturen. Ob analog oder digital, Lesen wird, zumindest in unseren Breitengraden, die wichtigste Kulturtechnik bleiben. Zweitens: Das E-Book wird das gedruckte Buch nicht verbannen. Noch nicht einmal vier Prozent des Marktanteils kann das E-Book für sich in Europa heute beanspruchen. Scheint so, als würde viel mehr darüber geredet als auf ihm gelesen. Drittens: Und wenn schon? Für unsere Lesekultur ist es völlig egal, wenn sich das Buch immer stärker dematerialisiert. Schließlich geht nur die Hülle verloren, der bunte Buchdeckel, das bedruckte Papier, doch der Inhalt bleibt auch auf dem E-Book bestehen. Ihn gilt es zu schützen, nicht die Verpackung.

Zum armen Buchhändler: Wie soll er ankommen, der arme Buchhändler, gegen das gigantische Amazon? Ganz einfach: Durch Fachkompetenz und ein gutes Sortiment. Schließlich ist es gerade der anspruchsvolle Leser (unser romantischer Idealist inbegriffen), der seine Bücher lieber bei Amazon bestellt, als es beim Buchladen in seiner Stadt zu versuchen.

Warum auch? Um enttäuscht zu werden, dass das gewünschte Buch sowieso nicht vorrätig ist? Um den Nachnamen des Autors zu buchstabieren, da der „Buchhändler“ noch nie etwas von ihm gehört hat? Um auf den Eingangstischen mit Schokolade, Tee und Ratgeber zum Glück begrüßt zu werden statt mit literarischen Geheimtipps der Buchhandlung? Diese „Buchhändler“ braucht wirklich keiner mehr. Sachkundige, leidenschaftliche Leser, die Bücher verkaufen und über den Mainstream hinausblicken, allerdings schon.

Denn wer das Kulturgut Buch schützen will, der sollte sein Wissen und seine Leidenschaft teilen. Und er sollte den ungehinderten Fluss von Ideen und Inhalten schützen. Vor Vernichtung, Zensur, Missbrauch und Konformismus. Der Kraft guter Literatur kann man vertrauen, ob sie als signierte Erstausgabe oder als E-Book verpackt daherkommt, ist völlig egal.