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Keinen Maulkorb, bitte!

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Zugegeben, wir beschäftigen uns gerne mit gesellschaftlichen Problemen wie Trennung von Kirche und Staat, Religionsunterricht usw. Aber wenn wir ehrlich sind, gehören diese Probleme nicht zu den Grundbedürfnissen des Menschen.

Seit er die Erde bevölkert, treiben ihn zwei Sorgen: die Sorge um seinen Lebensunterhalt und die Sorge um ein Dach über dem Kopf. Auf die heutige Zeit übertragen, sind das Arbeit, Kaufkraft und eine Wohnung. Diese Fragen beschäftigen uns alle, ob Linke oder Rechte, Atheisten oder Katholiken. Da sie uns aber alle beschäftigen, dürfte es auch auf der Hand liegen, dass sich alle dazu äußern dürfen. Und warum soll das nicht auch eine Gewerkschaft tun dürfen, eine Organisation, deren Aufgabe es ist, die sozialen Rechte ihrer Mitglieder zu verteidigen?

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Es ist verständlich, dass die negative Wahlempfehlung des OGBL-Präsidenten einigen Leuten schwer auf dem Magen liegt.

Jean-Claude Juncker meinte sinngemäß, der OGBL solle in seiner Rolle bleiben. Marc Spautz fühlte sich eigenen Aufgaben zufolge mit Schrecken in die „sozialistisch-kommunistischen“ Sechzigerjahre zurückversetzt, als er noch kurze Hosen trug.

Diesen Herren zufolge dürfen Gewerkschaften also keine Wahlempfehlung abgegeben. Ihre Aufregung ist verständlich, denn wie heißt es doch so schön: „Ce n’est que la vérité qui blesse.“ Denn in sozialer Hinsicht haben die Beschäftigten in diesem Land nicht viel von einer CSV zu erwarten. So soll es z.B., wenn es dem Willen der Christlichsozialen nach geht, nur noch eine Indextranche pro Jahr geben; auch der Warenkorb soll manipuliert werden.

Sozial, aber kein sozialer Wohnungsbau

Diejenigen, für die eine Wohnung in Luxemburg schon längst nicht mehr bezahlbar ist, werden ebenfalls wissen, was sie an der CSV haben. Obwohl Jean-Claude Juncker schon vor Jahren erkannte, dass der Wohnungsbau sein größter Misserfolg sei, hat seine Partei, die das „ministère du Logement“ seit rund 30 Jahren innehat, nicht viel getan, um der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken. Im Gegenteil, die staatlichen Beihilfen, gegen die ja eigentlich niemand etwas hat, haben aber – neben dem Baulandmangel – wohl auch dazu beigetragen, dass die Preise ständig steigen. Einige Tausend Luxemburger wohnen im nahen Ausland, weil für sie ein Eigenheim hierzulande unerschwinglich teuer geworden ist.

Vom sozialen Wohnungsmarkt ganz zu schweigen. Der soziale Mietwohnungsbau wurde gänzlich vernachlässigt. Es wurde ganz einfach übersehen, dass es Menschen gibt, die sich trotz aller Beihilfen keine eigene Wohnung leisten können, weil ihr Gehalt einfach nicht ausreicht, um einen Kredit aufzunehmen. Für eine Partei, die das „Soziale“ in ihrem Namen trägt, fürwahr eine beachtliche Leistung.

Warum soll angesichts dieser anti-sozialen Tatsachen eine Gewerkschaftsführung nicht offen sagen, was ihrer Meinung nach für die Beschäftigten das Beste wäre und welche Wahl sich eventuell negativ für sie auswirkt? Wo um alles in der Welt steht geschrieben, dass eine Gewerkschaft keine politische Meinung haben darf?

Es ist im Gegenteil eine Anmaßung von Politikern, irgendeiner Vereinigung zu verbieten, ihre Meinung zu äußern, und ihr so einen Maulkorb verpassen.