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Union der Kleinmütigen

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Die am vergangenen Freitag (25.10.13) abgegebene Erklärung der EU-Staats- und Regierungschefs zu den jüngsten Enthüllungen über die US-Spionageaktivitäten in Europa ist, wie gewohnt, allzu dürftig ausgefallen, ja kleinmütig angesichts der Schwere dessen, was da offenbar vorgefallen ist.

Die Reaktion reiht sich nahtlos in die seit Monaten praktizierte und von Tatenlosigkeit gefolgte Betroffenheitsrhetorik ein. Ja, unsere Grundrechte, der Datenschutz, die Privatsphäre sind alles in und von einer Demokratie zu beschützende Werte. Die Europäer, die „alten“ und „neuen“, wissen dies aus den Erfahrungen ihrer jüngsten Geschichte nur allzu genau.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Diesen Schutz können die europäischen Nationalstaaten und die von ihnen geschaffene Union offensichtlich nicht gewährleisten. Und dem hinterhältigen und verräterischen Vertrauensbruch, den sich der Bündnispartner durch seine Abhör- und Spionageaktivitäten auf den verschiedensten Ebenen in Europa leistet, wollen die 28 nichts entgegensetzen. Auf jeden Fall nichts Gemeinsames. Nur Frankreich und Deutschland sollen „bilaterale Gespräche mit den USA führen (…), um bis zum Jahresende zu einer Verständigung über die gegenseitigen Beziehungen auf diesem Gebiet (der Nachrichtengewinnung; Anm. d. Verf.) zu gelangen“, heißt es im Text der Schlusserklärung des letztwöchigen Gipfeltreffens in Brüssel.

Weiterer Grund für Verdrossenheit

Mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages ging auch das Versprechen einher, dass die EU außenpolitisch zu einem Schwergewicht heranwachsen würde. Wer aber im Ernstfall dermaßen entschlossen auftritt, wie es Europas Staatenlenker bisher getan haben, braucht sich nicht zu wundern, dass sie nicht nur auf der internationalen Bühne als schwach und rückgratgeschädigt daherkommen. Der Umgang mit den jüngsten Enthüllungen durch die politische Klasse Europas dürfte ein weiterer jener Gründe werden, aus denen sich die weitgehende Verdrossenheit der EU-Bürger über ihre Union nährt.

Die Präsidentin des aufstrebenden Brasiliens, Dilma Rousseff, zeigte, wie auf die Bespitzelungen der Amerikaner zu reagieren ist, als sie ein Treffen mit US-Präsident Barack Obama kurzerhand absagte. Zur Ehrenrettung Europas konnte sich immerhin das Europäische Parlament aufraffen, das sich vergangene Woche zumindest dafür aussprach, das Swift-Abkommen mit den USA über die einseitige Weitergabe von Informationen von Bankkunden in Europa auszusetzen. Die US-Geheimdienste haben sich offenbar eigenhändig Zugang zu diesen Daten verschafft und umgehen damit die mit den Europäern vereinbarten Regeln für diesen Informationsaustausch. Nun dürfte es nicht lange dauern, bis die EU-Kommission tätig wird. Immerhin hatte deren Vizepräsidentin und EU-Justizkommissarin Viviane Reding gemeint, dass die Kommission erst einschreiten werde, wenn das EP einen entsprechenden Beschluss gefasst habe.

Die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten hingegen sollen nicht ausgesetzt werden. So weit wollte in Brüssel niemand gehen, auch wenn der EP-Präsident dies als eine Option in den Raum gestellt hatte. Sicher – ist dieses einmal umgesetzt, müsste auch die europäische Wirtschaft davon profitieren können.

Doch werden die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen wirklich auf Augenhöhe geführt, einmal abgesehen davon, dass Washingtons Verhandler sich wohl von den eigenen Nachrichtendiensten über die Positionen und Strategien ihrer europäischen Gegenüber bestens informieren lassen werden? Werden sich die Europäer bei diesen Verhandlungen