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Wem nützt der Pluralismus?

Wem nützt der Pluralismus?
(Tageblatt/Pierre Matgé)

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Pluralismus klingt nach Abwechslung, Vielfalt, nach mehreren Alternativen; eine gute Sache also? So wird wohl die Mehrheit jener, die von TNS Ilres befragt wurden, ob sie für oder gegen den Gewerkschaftspluralismus seien, spontan räsoniert haben, als sie ihre Antwort gab.

Die Fragestellung wurde vom LCGB in Auftrag gegeben, und dies geschah nicht ohne Hintergedanken. Die christliche Gewerkschaft versucht mit solchen strategischen Kniffen wie besagter Umfrage (eine Woche vor den Sozialwahlen), zu verhindern, dass ihr die Felle davonschwimmen.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Und das tut sie gleich mehrfach. Der interne Streit um Finanzen, der dazu geführt hatte, dass Robert Weber und einige andere ihre Posten räumen mussten, die daraus resultierenden Finanzprobleme, die passive Rolle in der Arbeitnehmerkammer, in der praktisch keine Initiative von den LCGB-Delegierten ausging, obwohl sie zu Beginn der Session eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem mehrheitlichen OGBL angekündigt hatten, und schließlich auch die Wahlniederlage der CSV bei den Parlamentswahlen bereiten der Gewerkschaftsführung in der hauptstädtischen rue du Commerce wohl einiges Kopfzerbrechen.

Teile und herrsche

Dass der LCGB nun den Gewerkschaftspluralismus vehement und mit wenig überzeugenden Argumenten – siehe die oben beschriebene Umfrage – gegen die öfters wiederholten Aufrufe verschiedener OGBL-Mandatare zur Einheitsgewerkschaft verteidigt, hat neben dem Selbst- und Machterhaltungstrieb der Gewerkschaftsführung vor allem historische Gründe.

Ein Jahrzehnt nachdem sich die Arbeiterschaft im beginnenden Industriezeitalter organisiert hatte (die ersten Gewerkschaften waren selbstverständlich nicht pluralistisch) und so den Unternehmern einig und geschlossen erste soziale Verbesserungen abringen konnte, wurden christliche Gewerkschaften – quasi als Gegenpol zu verdächtig sozialistischen und kommunistischen Organisationen – gegründet.

Die Folge war eben das, was diese Gründungen bezweckten. Die Arbeitnehmerorganisationen wurden geteilt, verloren relativ an Gewicht. Die Unternehmer kannten diesen Pluralismus nicht; es gab und gibt keine Konkurrenzorganisation zur UEL, und es wird auch künftig keine geben.

In dem sich ständig wiederholenden Streit um Arbeitsbedingungen und um Löhne steht eine Organisation geschlossen gegen eine Gewerkschaftsszene, die allein ob ihrer doppelt zu unterhaltenden Logistik und der Meinungsdivergenzen in vielen Sachfragen im Nachteil ist.

Gegen den Gewerkschaftspluralismus zu sein, entspricht also der Vernunft: Wer in dieser Frage für den Pluralismus eintritt, schadet unweigerlich dem eigentlichen Ziel jeder Gewerkschaft, nämlich der Emanzipation der arbeitenden Menschen.

Wie der OGBL in seinem Wahlprogramm richtig schreibt, ist die Arbeitnehmerkammer (CSL) zu einer aus der Fusion von Arbeiterkammer und Angestelltenkammer entstandenen starken Organisation geworden. Seit 2008 macht sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine gute und besonders in der Krise wichtige Arbeit. Ihren Analysten und Experten gelang es mehr als einmal, jenen des Patronats den Wind aus den Segeln zu nehmen, Alternativen aufzuzeigen und auf Widersprüche der Wirtschaftspolitik in Luxemburg und in Europa hinzuweisen.

Diese Arbeit ist auch durch die starke Position des OGBL (36 von 60 Sitzen) möglich geworden. Eine Stärkung des „Onofhängege Gewerkschaftsbond“ in der CSL bedeutet so eine Stärkung der Arbeitnehmer.

Das Gleiche gilt ebenfalls in den Unternehmen, wo am Mittwoch die Betriebsausschüsse (Delegationen) gewählt werden. Hier schadet der Pluralismus übrigens besonders viel, was manche Direktionen in der Vergangenheit durch die Aufstellung sog. „gelber Listen“ mit obrigkeitshörigen Kandidaten als Konkurrenz zu freien Gewerkschaften dokumentierten.