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Voltaire oder das Wohnen

Voltaire oder das Wohnen
(Tageblatt/Martine May)

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Entgegen der Panikmache seitens der CSV „machen die drei ihr Ding“ in aller Seelenruhe. Einige Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit bereits abgeschlossen.

Noch Ende dieses Monats werden wir wahrscheinlich erfahren, wie das Koalitionsabkommen der drei Parteien aussieht, mit dem sie die derzeitigen Probleme des Landes lösen wollen.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Zu den momentan dringendsten Problemen gehört nicht unser Rentensystem, wie es etwa die Patronatsseite behauptet. Mit einer Nachhaltigkeitsreserve, welche die Rente für vier Jahre abdeckt, sind wir in einer außerordentlich guten Situation. Bei unserem von den Arbeitgebern oft bewunderten Exportwundernachbarland Deutschland, das auch ein Umlageverfahren hat (die Versicherten von heute zahlen die Renten von heute), reichen die Reserven lediglich für ein paar Monate.

Nicht dringend (wenn auch wichtig) sind ebenfalls die gesellschaftlichen Probleme, obwohl auch sie angegangen werden müssen. Auch wenn wir nur allzu gerne der Kirche die Flügel, sprich die Finanzen, stutzen wollen, müssen wir heute, am 319. Geburtstag von François-Marie Arouet alias Voltaire – einem der bedeutendsten Kirchenkritiker des 18. Jahrhunderts – zugeben, dass es Dringenderes gibt.

Teuer, zu teuer

Vorgestern vermeldete das Statec, dass in Luxemburg fast ein Fünftel des Einkommens fürs Wohnen verwendet wird. Durchschnittlich, wohl gemerkt, denn die Klassenunterschiede machen sich hier wie in keinem anderen Bereich bemerkbar. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung geben nur neun Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus; die ärmsten zehn Prozent müssen ein Drittel ihres Einkommens dafür aufbringen.

Hinzu kommt, dass sie für einen viel größeren finanziellen Aufwand wahrscheinlich über weniger Lebensqualität verfügen. Die Regierung hat ihre Arbeit zwar noch nicht aufgenommen, aber letzten Endes wird sie auch daran gemessen werden, was sie in Sachen Wohnungsproblematik unternimmt. Zwei der drei Koalitionäre – DP und „déi gréng“ – haben in ihrer Oppositionszeit immer wieder den Finger in diese Regierungswunde gelegt. Sie wurden nicht müde, den Premier an sein Eingeständnis zu erinnern, dass die Wohnungsfrage einer seiner größten Misserfolge sei. Jahrelang war die offizielle Politik die, dass so viele Menschen wie möglich Wohnungseigentümer werden sollten. Daran ist im Prinzip nichts auszusetzen. Es wurde allerdings ignoriert, dass es immer Leute geben wird, die zur Miete wohnen müssen.

Will man eine Wohnung mieten, muss man, ehe man die Wohnung überhaupt bezieht, drei Monatsmieten hinblättern: zwei als Garantie für den Vermieter, eine als Provision für den Makler. Für Letzteren ist es schnell verdientes Geld. In Deutschland gibt es Bestrebungen, die Vermieter die Maklerprovision zahlen zu lassen. Das wäre eine konkrete Hilfe für die Mieter. Warum nicht auch in Luxemburg das „Besteller-Prinzip“ einführen: Der Makler sollte von seinem Auftraggeber – dem Vermieter – bezahlt werden, so wie das in fast jedem anderen Geschäftsbereich der Fall ist. Das wird den Eigentümern nicht gefallen, und sie werden sich zweimal überlegen, ob sie überhaupt einen Makler hinzuziehen. Es müsste natürlich beachtet werden, dass diese Maßnahme nicht wieder zu einem Ansteigen der Mieten führt.

Ob nun diese oder andere Maßnahmen: Es steht außer Frage, dass sich auf dem Wohnungsmarkt Grundsätzliches ändern muss. Das Land wartet.