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Gerechte Löhne

Gerechte Löhne
(dpa/Symbolbild)

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Was ist ein gerechter Lohn? Dies ist eine der zentralen Fragen, die im Mittelpunkt der Diskussionen um die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen seit dem 19. Jahrhundert stehen.

Seit dem Siegeszug der Boni-Kultur, die von der Finanz- in die Wirtschaftswelt überschwappte, kehrte das Thema – über den Umweg der Entlohnung der Spitzenmanager – wieder indirekt in die Öffentlichkeit zurück. Die Aufregung ebendieser über die zum Teil obszöne Entlohnung in manchen Chefetagen dauert nun bereits über eine Dekade an. Man vergaß aber leider den Blick aufs Ganze. Genauer gesagt auf die sich öffnende soziale Schere. Ein Phänomen, das mittlerweile die gesamte westliche Welt beherrscht.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Dieser Umstand wurde nicht zuletzt durch Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in den vergangenen Jahren anhand des Beispiels USA genauestens beschrieben. Nach Berechnungen des Ökonomen aus dem Jahre 2011 erhöhte sich in den zehn vorangegangenen Jahren das Einkommen der reichsten Amerikaner (1 Prozent der Bevölkerung) um 18 Prozent. Gegenläufig verlief die Entwicklung der Mittelschicht und der ärmeren Menschen in den Vereinigten Staaten in demselben Zeitrahmen. Ihr Einkommen schrumpfte dahin. Besonders hart traf es die männlichen Arbeiter („blue collars“), ihr Einkommen sank um 12 Prozent.

Stiglitz weilt heute Montag in Luxemburg. Auf Einladung einer Bank wird er vor einem Parterre von Finanzfachleuten vielleicht auch einige Wörter zu der Volksabstimmung finden, die gestern in der Schweiz abgehalten wurde. Die Schweizer sollten gestern darüber befinden, ob die Spitzengehälter per Gesetz gedeckelt werden sollten. Die Eidgenossen lehnten es aber ab, dass die Spitzenmanager nicht mehr in einem Monat verdienen sollten als das, was ihre Angestellten in einem Jahr als Lohn erhalten.

Es ist ohne Zweifel ein Zeichen der Krisenzeit, wenn sogar in der Schweiz – dem Land der Vermögen und Vermögenden dieser Welt par excellence – die Frage nach der Gerechtigkeit der Entlohnung gestellt wird. Auch dort hat man mittlerweile festgestellt, dass die „Nehmerqualitäten“ so mancher „Arbeitgeber“ in puncto Entlohnung durchaus enorme Ausmaße bekommen haben. Dass die Schweizer gegen den Entwurf gestimmt haben, liegt auch daran, dass es der öffentlichen Diskussion an Sachlichkeit gefehlt hat und eher populistische Töne angeschlagen wurden.

Kulturwandel erforderlich

Es ist immer heikel, wenn eine solche Debatte auf die Ebene der Moral gehoben wird, weil dadurch die öffentliche Debatte ins Emotionale abdriftet. Auf der Strecke bleiben dann meistens reale, konkrete und machbare Lösungen. Zudem fällt die Deckelung der Spitzengehälter unter die Kategorie der Lösungen, die sich einfach und vielversprechend anhören, aber im Grunde das Übel nicht an der Wurzel packen, das da heißt: Gewinnmaximierung zwecks Erhöhung der Boni.

Die Boni-Kultur speist sich nämlich aus dem kurzfristigen Denken maximaler jährlicher Gewinnsteigerungen, welche oft genug die Langlebigkeit eines Unternehmens wie auch die Arbeitsbedingungen der Angestellten in Gefahr bringen. Dabei gibt es durchaus sehr profane Gradmesser, welche beides vermeiden können, wenn man sich auch bei den Löhnen der Manager an dem von ihnen erbrachten (langfristigen) Mehrwert orientiert. Oder anders ausgedrückt: Statt auf den Nettogewinn sollte man bei allen Löhnen den Blick auf die Entwicklung der Ertragskraft richten.