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Nichts ist heute einfach

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Im vergangenen Jahrzehnt wurden die finanz- und wirtschaftspolitischen Weichen Europas so gestellt, dass den Einzelstaaten nur wenig Spielraum für die eigene, den nationalen Interessen entsprechende Budgetpolitik verbleibt.

Auch die Luxemburger CSV-LSAP-Regierung befliss sich, in das EU-Korsett zu schlüpfen. Es gäbe dazu erstens keine Alternative, sagte Juncker, und zweitens schützten uns die strengen Regeln vor der Schuldenfalle.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Schuldenfalle? – Die drei großen amerikanischen Ratingagenturen S&P, Fitch und Moody’s verleihen Luxemburg das extrem rar gewordene Triple A (AAA), mit, als Bonus, der Aussicht auf langfristige Stabilität. Begründet wird die Auszeichnung u.a. mit dem Verweis auf die Reserven der Pensionskassen, die seit geraumer Zeit höher sind als die Staatsschuld. Die gerne hochgespielten Katastrophenszenarien interessierter Kreise über die versteckten Schulden, die sich aus der Luxemburger Sozialversicherung ergäben, scheinen die gefürchteten Bewerter nicht sonderlich zu beeindrucken. Sie gehen davon aus, dass Luxemburg in der Lage sei, eventuell notwendige Reformen dann durchzuziehen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.

In Sachen Budgetpolitik sollte die neue Regierung in Brüssel für die Berücksichtigung Luxemburger Besonderheiten streiten, die sich aus der Kleinheit und der Struktur der Wirtschaft ergeben.

Man kann nicht, wie in Deutschland oder Frankreich, davon ausgehen, dass die BIP-Wachstumsprognosen der Chefs von Statec, Steuerverwaltungen, Zoll und Akzisen, Sozialversicherungen, Bankenaufsicht sowie dreier Ministerien (Finanzen, Wirtschaft und Inneres) bis auf die Stelle hinter dem Komma der Realität entsprechen. Die Luxemburger Prognosenpraxis ist eine sehr konservative; man will am Ende nicht als gescheiterter Optimist dastehen.

Bei allem Verständnis für die Vorsicht der Beamten gehört die sozusagen automatische Übernahme erfahrungsgemäß „falscher“ Prognosen durch die Regierung angeprangert.

Man verbessert die Stimmung im Lande nicht mit einer fortwährenden Dramatisierung der Lage. Diese für die CSV so typische Taktik ist aus unserer Sicht in hohem Maße kontraproduktiv. Aus Furcht vor den bösen Dingen, die da kommen sollen, wird weniger konsumiert, zu Lasten von Handel, Handwerk sowie der inlandsorientierten Dienstleistungen und der Industrie, was nicht ohne negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sein kann.

Die angekündigte TVA-Erhöhung um 2 Prozent mag angesichts des drohenden Verlustes von Hunderten Millionen Mehrwertsteuer-Erträgen ab 2015 durch die Änderung der EU-Regeln bezüglich des elektronischen Handels eine Art Kompensierung sein. Das macht sie aber nicht sozialer, denn erneut wird bei den kleinen Einkommen, relativ gesehen, mehr abgeschöpft als bei den größeren.

Herausforderung und Opportunität

Bemerkenswerterweise sieht der Patronatsverband des E-Commerce (APSI) die EU-Direktive nicht nur als eine Herausforderung für den äußerst dynamisch gewordenen Sektor an, sondern auch als eine Opportunität. Luxemburg solle beileibe nicht strikter vorgehen als Brüssel verlangt; es könnte auch eine gewinnbringende Verwaltung für die Zuordnung der TVA- auf die Wohnsitzländer der Kunden aufgebaut werden. Ferner erwartet APSI die schnelle Einführung des geplanten Gesetzes für elektronische Archivierung, mit dem neue Märkte erschließbar würden.

Die E-Commerce-Branche reagiert also proaktiv, was einem nur gefallen kann.

Vielleicht stellt sich heraus , wenn 2017 die große Steuerreform kommt – die mit der Beseitigung des Mittelstandsbuckels –, dass die Staatsfinanzen durch gezieltes Sparen und neues Steuereinkommen aus der blühenden Wirtschaft ins Gleichgewicht kamen.

Und dass man die TVA-Erhöhung wieder rückgängig machen könnte.

Wäre das keine programmatische Idee für die experimentierfreudigen drei?