Und man darf wohl füglich darüber streiten, ob bei der damaligen Entscheidung politische Kriterien nicht etwa schwerer wogen als sprachwissenschaftliche. Es gibt Leute, die behaupten, dass man z.B. auch in Teilen des deutschen Grenzgebietes luxemburgisches Moselfränkisch rede, es aber dort niemandem einfalle, diesen Dialekt als eigenständige Sprache zu bezeichnen. Dieses Argument verkennt aber die Tatsache, dass unser als Standardsprache verwendetes Luxemburgisch heute mehr leisten kann (und leisten können muss) als der jenseits von Sauer und Our gebrauchte Dialekt, der vor allem in privaten Situationen als heimelige Alternative zur Hochsprache dient und zudem immer stärker vom Hochdeutschen verwässert wird. Dagegen hat das Luxemburgische etwa durch die eifrige Beschlagnahmung von Wörtern aus anderen Sprachen sowie der ständigen Prägung eigenen Vokabulars seinen Gebrauchswert steigern können, ohne sich im Verlaufe dieses Prozesses gleich selber abzuschaffen.
" class="infobox_img" />Francis Wagner
fwagner@tageblatt.lu
Frisches Blut
Kurzum: Das Luxemburgische lebt. Selbst wenn in den Webforen der Untergang unseres Völkchens an die Wand gemalt wird, jedes Mal, nachdem mal wieder ein wehrloser „Jang“ (wie die Trierer uns Luxemburger liebevollerweise nennen) von einem „111er“ auf gröblichste Weise dazu genötigt wurde, eine „Aachtchen“ in der Sprache Molières zu ordern (eine der großen Kultursprachen, deren weitgehende Unkenntnis merkwürdigerweise erstaunlich viele Luxemburger mit perversem Stolz monstranzartig vor sich hertragen).
Dass Luxemburgisch „alive and kicking“ ist, hat es nicht zuletzt der Erfindung der mobilen Datenübertragungstechnik zu verdanken: Hierzulande wird andauernd und heftig auf Luxemburgisch gesimst, gemailt und gepostet.
Wobei nebenher auch noch tagaus, tagein der unwiderlegbare Beweis dafür erbracht wird, dass schriftliche Kommunikation auch unter weitgehendem Verzicht auf die offizielle Rechtschreibung zum angestrebten Ziele führen kann. Erlaubt ist – trotz verfügbaren Spellcheckers – im Wesentlichen, was gefällt. O tempora, o mores! Gewiss doch. Aber es funktioniert. Und zwar längst nicht nur im Luxemburgischen. Selbst wenn in den Augen konservativer Sprachbewahrer das christliche Abendland darüber zuschanden zu gehen droht.
Ein weiteres Lebenselixier für das Luxemburgische ist paradoxerweise der Umstand, dass die Stacklëtzebuerger immer seltener unter sich sind: Es ist stets faszinierend, beispielsweise Schülern zuzuhören, bei deren Diskussionen ansatzlos zwischen Luxemburgisch, Portugiesisch und Französisch geswitcht wird. Auch dies ist Puristen natürlich ein Graus
Doch eine Sprache lebt nur, wenn sie die Fähigkeit besitzt, sich fortlaufend zu erneuern. Und so ist der Zukunft des Luxemburgischen eine Blutauffrischung durch Injektion etwa neuen lusitanischen oder englischen Materials mit einiger Sicherheit förderlicher als die hierzulande viel zu lange mit dem Mut der Verzweiflung praktizierte Verteidigung eines archaischen Bauernidioms, das nicht einmal mehr den Bedürfnissen eines modernen Agrariers gerecht zu werden vermag.
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