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Die nicht gestellte Frage

Die nicht gestellte Frage

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Die Tram kommt. Und die Gegner des Projektes rüsten zum letzten Gefecht. Die Argumente, die dabei vorgebracht werden, überzeugen nicht immer durch ihre Stichhaltigkeit.

So äußerte letzte Woche der Generaldirektor der Handelskammer, Carlo Thelen, in Le Jeudi und auf seinem Blog schwerste Bedenken gegen das Projekt. Es ist natürlich das elementare Recht eines jeden Bürgers, ja sogar die Pflicht einer Person in Thelens Position, die Frage zu stellen: „Was kostet uns das, wenn wir das tun? Können wir uns das leisten?“ Ein Ökonom wie Thelen müsste aber gleichzeitig die Frage stellen: „Was kostet das, wenn wir es nicht tun? Können wir es uns leisten, es nicht zu tun?“ Aber diese Frage zu stellen, hat der Wirtschaftsexperte merkwürdigerweise unterlassen.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Dass Luxemburg ein enormes Verkehrsproblem hat, dessen ist sich auch Thelen durchaus bewusst: Die in Staus vertrödelte Zeit, der verschwendete Treibstoff, die verminderte Produktivität der Arbeitnehmer, das alles kostet unsere Volkswirtschaft jahraus, jahrein so richtig ordentlich schön Geld.

Doch dann wendet er sich – und zwar ohne eine konkrete Alternative vorzuschlagen! – ausgerechnet gegen jenes Transportmittel, das als einziges über die erforderliche Kapazität verfügt, um der Verkehrssituation im Stadtzentrum Herr zu werden.

Zur Erinnerung: Der Metzer „Mettis“ ist zwar ein sehr guter Bus, er kann aber nur maximal die Hälfte der in der Stadt Luxemburg erforderlichen Kapazität stemmen. Und dieses Kriterium ist nun mal der absolute Knackpunkt: Der „Mettis“ packt’s bei uns ganz einfach nicht! Zudem, das wird fast immer vergessen, ist die Tram auch noch das weitaus komfortabelste aller innerstädtischen öffentlichen Transportsysteme.

Tram lässt Geschäftswelt gedeihen

Thelen warnt davor, dass die Tram allein ihr Geld nicht wert sei. Richtig! Aber ihm müsste doch das „Modu“-Gesamtkonzept bekannt sein, von dem die Tram nur ein – wenn auch entscheidender – Bestandteil ist. Hat er denn nicht mitbekommen, dass die neue Regierung eben dieses Konzept nun beschleunigt umzusetzen sucht?

Es ist Thelens gutes Recht, vor Budget- und Bauzeitüberschreitungen zu warnen. Dabei ist es aber so, dass seit etwa 1980 bei der Planung und dem Bau neuer Tramsysteme auf vier Kontinenten enorm viele praktische Erfahrungen gesammelt werden konnten. Ein Beispiel: Im Dezember 2012 wurde die Tram quer durch die marokkanische Wirtschaftsmetropole Casablanca trotz chaotischer Verkehrsverhältnisse von der französischen Firma Systra (einer gemeinsamen Tochter von SNCF und RATP) pünktlich nach nur 24 Monaten Bauzeit (für eine 31 Kilometer lange doppelgleisige Strecke!) fertiggestellt, wobei das Projekt auch noch um 8% unter dem Budget blieb!

Zudem vergisst der Direktor der Handelskammer zu erwähnen, dass im Luxemburger Tramprojekt – genau so, wie dies in Frankreich seit Jahren üblich ist – begleitende Maßnahmen vorgesehen sind, um den Einzelhandel für baustellenbedingte Ertragsausfälle zu entschädigen.

Umgekehrt kann es doch aber wohl nicht sein, dass in unserer Hauptstadt keine größeren Infrastrukturprojekte mehr realisiert werden können, sobald ein paar Geschäftsleute Umsatzeinbußen befürchten!

Wir alle wünschen uns eine lebendige, dynamische Geschäftswelt in der Stadt Luxemburg. Und gerade die Tram ist ein hervorragendes Mittel, um eine solche gedeihen zu lassen. Dies hat die Erfahrung mit neuen Trams in Dutzenden französischen Städten (aber nicht nur dort) gezeigt.

Eines können wir uns auf keinen Fall mehr leisten: Nämlich einen kurzsichtigen Krämer-Nimbyismus, der den langfristigen Aufschwung unserer Hauptstadt lähmt.