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Erinnern und aufklären

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"Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch", schrieb Bertolt Brecht 1941 in seinem Stück "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui", einer Parabel über den Aufstieg Adolf Hitlers.

Zwei osteuropäische Länder zeigen uns, wie aktuell die Aussage des Dramatikers heute noch ist.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Da wäre zum einen Ungarn, wo die rechtsextreme Jobbik (dt. „die Besseren“) bei den vorigen Parlamentswahlen 20 Prozent der Wählerstimmen erlangte. Das ungarische Parlament wählte vor Tagen einen Jobbik-Abgeordneten – den ehemaligen Skinhead-Anführer Támas Sneider – zum Vizepräsidenten. Die absolute Mehrheit in der ungarischen Abgeordnetenkammer hat die nationalkonservative Fidesz, die ebenfalls heftig mit Ideen wie Autoritarismus und Nationalismus flirtet.

Noch weiter im Osten, in der Ukraine, ereignete sich im Februar dieses Jahres ein Regimewechsel, wobei Wechsel stark untertrieben ist. Der gewählte Präsident, Viktor Janukowitsch, wurde mit der gewalttätigen Hilfe der Straße aus dem Amt gejagt (was nicht bedeuten soll, dass wir Janukowitschs Vorgehensweise zuvor gegen Demonstranten gutheißen). Was sich in Kiew abspielte, war nicht mehr und nicht weniger als ein blutiger Staatsstreich. Maßgeblich am Umsturz beteiligt waren die Schlägerbanden des „Rechten Sektors“, einer unverhohlen neonazistischen Organisation. Elektoral dürfte er nach Meinung von politischen Beobachtern vielleicht keine Rolle spielen, da er die Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen nicht überspringen würde. Aber was sind schon Prognosen.

An der neuen ukrainischen Regierung ist allerdings die sehr rechts stehende Partei Svoboda (dt. „Freiheit) mit drei Ministern beteiligt. Sie wurde 1991 unter dem Namen „Sozial-Nationale Partei der Ukraine“ gegründet. Erst im Februar 2014 änderte sie ihren Namen. Das Image musste schnell aufgebessert werden. Nur ein Jahr zuvor war die Partei vom „Jüdischen Weltkongress“ als neonazistisch eingestuft worden.

Angesichts der Lage in der Ukraine fällt der EU nichts anderes ein, als mit dem Finger auf Russland zu zeigen. Kanzlerin Merkel sprach sich vor zwei Tagen sogar im Notfall für „schärfere Sanktionen“ gegen Russland aus. Das Land ist beileibe kein Musterbeispiel einer funktionierenden Demokratie, aber man kann wohl kaum erwarten, dass Russland den Geschehnissen tatenlos zusieht. Und wem nützt das Ganze? Auf dem G7-Gipfel in Rom suchten die Teilnehmer nach Möglichkeiten, um unabhängiger vom russischen Gas zu werden. Kanada und die USA warten nur darauf, ihr Schiefergas exportieren zu können. Warum gibt es in Europa keinen Spitzenpolitiker, der das Kind – sprich die Geschehnisse in der Ukraine – beim Namen nennt? Europa als williger Handlanger der USA? Nun ja, auch europäische Konzerne verdienen an der Chose. Als erster europäischer Gaslieferant hat die Essener RWE im April mit Gaslieferungen an die Ukraine begonnen.

Nicht vergessen

Heute ist der 60. Jahrestag der Machtergreifung von General Alfredo Stroessner in Paraguay. Seine Diktatur dauerte 35 Jahre. Morgen ist der 69. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Hitlerdeutschland, eines Siegs, den die damalige UdSSR mit 20 Millionen Toten bezahlte, was wir auch nicht vergessen sollten. Der „Tag des Sieges“ wird besonders in Russland gefeiert. In der Ukraine hingegen wird mit Provokationen der Extremisten gerechnet.

Die Umstände, unter denen die ukrainische Regierung an die Macht kam, müssten bei jedem Demokraten die Alarmglocken schrillen lassen. Aufklärung ist die beste Waffe gegen Dummheit, heißt es immer.

Der hundertste Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs wäre eigentlich eine gute Gelegenheit – auch in Luxemburg –, öffentlich über die Ursachen und Entstehung des Faschismus nachzudenken, wie z.B. durch Ausstellungen. Aber da scheint Gambia ja anderer Meinung zu sein.

(Claude Molinaro)