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Der EU-Wähler kann es besser

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Bereits bei vorigen EU-Wahlen schafften Rechtspopulisten den Sprung ins EU-Parlament. Ironischerweise dürften auch bei der kommenden Wahl die anti-europäischen Kräfte im EU-Parlament gestärkt werden.

Zwei Beispiele: Laut Umfragen soll in Frankreich die Front national am Sonntag die Nase vorn haben, mit 25 Prozent würde sie gar zur stärksten Kraft. Auch in Großbritannien würde die Unabhängigkeitspartei UKIP vor den anderen Parteien liegen.

Einerseits geht die Wahlbegeisterung laut Umfragen stark zurück, andererseits würden Rechtspopulisten Stimmen hinzugewinnen. Die traditionellen Parteien mögen sich über diese Tatsachen aufregen, aber es ist nun mal so, dass sie keine Antworten auf die Fragen haben, welche die Bürger beschäftigen. „Europa nach vorne bringen“ oder „Der Jugend neue Chancen bieten“ sind Allgemeinplätze, für die sich keiner etwas kaufen kann. Die rechtspopulistischen Parteien haben Antworten parat, auch wenn diese sehr einfach sind. Ein großer Teil der Wähler ist offensichtlich von der bisherigen Politik enttäuscht und fühlt, dass Brüssel nicht in seinem Interesse agiert, sondern in dem von Wirtschaftslobbys und Großunternehmen. Vielen EU-Bürgern ist das Projekt Europa offensichtlich egal. In Deutschland beispielsweise sollen die „Gleichgültigen“ mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten darstellen.

Vage Aussagen in Sachen TTIP

Daran mag einerseits die Krise schuld sein, andererseits aber auch die vagen Aussagen der großen Parteien. Nehmen wir als Beispiel ein Thema, das in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wird, aber von den großen Parteien nur – wenn überhaupt – am Rande wahrgenommen wird: das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP genannt.

Die wichtige Frage des Investitionsschutzes für Unternehmen wird von den hiesigen Regierungsparteien wie die Pest gemieden. Die Klausel bedeutet, dass Firmen ihre vermeintlichen Rechte auf Profite vor einem unabhängigen Schiedsgericht einklagen könnten. Gesetze könnten so umgangen werden. Dabei ist es besonders dieser Punkt – sollte er umgesetzt werden –, welcher vielen Ländern zu schaffen machen würde. Europa wird dann – ob stark oder nicht – wenig daran ändern können, wenn einmal eine ArcelorMittal Millionen von einem Staat einklagt, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Im Wahlprogramm der CSV ist das Thema „TTIP“ schlicht ausgeklammert. Die DP spricht von „sowohl Chancen als auch Risiken“. Die Sozialisten wollen bei „allen Handelsabkommen auf europäische Standards pochen“. „Europäische Normen zum Schutz von Mensch und Umwelt dürfen nicht verwässert“ werden, schreiben „déi gréng“.

Angesichts solch vager Aussagen (das TTIP nur als ein Beispiel) ist es nicht verwunderlich, dass viele keinen Bock auf Politik haben. (Man kann nur vermuten, wie viele Bürger hierzulande die EU-Wahlen kaltlassen. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Luxemburger am kommenden Sonntag einen weiten Bogen um die Wahlurnen machen würden, wenn keine Wahlpflicht bestände.)

Ist man gegen ein Europa im Sinne der Wirtschaftslobbys und des Geldes, dürfte es einem nicht egal sein, wer im nächsten EU-Parlament das Sagen hat. Die liberalen und konservativen Kräfte stärken bedeutet, dass die bisherige Politik, die versagt hat, weitergeführt wird. Und dies bringt auf Dauer den Rechtspopulisten noch mehr Stimmen.

Claude Molinaro