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Brüsseler Postenschacher

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Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag (26.06.14) zu ihrem Gipfeltreffen zusammenkommen, wird das große Feilschen um die Spitzenämter in der Europäischen Union beginnen.

Seit den Wahlen zum Europäischen Parlament steht die Frage im Mittelpunkt, ob der Luxemburger Jean-Claude Juncker als Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zum Zuge kommt oder nicht. Neu zu besetzen sind jedoch auch noch andere Posten: Herman Van Rompuy als Präsident des Europäischen Rates muss ebenso ersetzt werden wie Catherine Ashton als EU-Chefdiplomatin und Vizepräsidentin der EU-Kommission. Daneben soll offenbar ein neuer und permanenter Eurogruppen-Chef ernannt und es muss ein neuer Vorsitzender im Europäischen Parlament (EP) gewählt werden.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Was die Umstände der Besetzung des letztgenannten Amtes anbelangt, zeichnet sich eine zumindest mittelschwere Katastrophe ab. Es kann nämlich nicht sein, dass die Koalitionäre in Berlin entscheiden, wer der nächste Präsident der europäischen Volksvertretung sein wird. Bei allen Sympathien, die man für den durchaus engagierten und überzeugten Europäer Martin Schulz haben kann, geht es dennoch nicht an, dass er mit dem Posten des EP-Präsidenten vertröstet werden soll, nur weil er weder als Kommissionspräsident noch als Vertreter Deutschlands in die Brüsseler Behörde einziehen kann. Es jubilieren doch alle in Europa, die nichts anderes im Sinn haben als die Union zu demontieren und dazu auf dem silbernen Tablett ein Paradeargument der Kategorie Selbstbedienungsladen serviert bekommen.

Dabei hat die seit Ende Mai über die Besetzung des EU-Kommissionsvorsitzes geführte Diskussion bereits für ausreichend Verwirrung und Unverständnis gesorgt. Formal mag der britische Premierminister David Cameron recht haben, wenn er mit dem Lissabon-Vertrag in der Hand darauf besteht, dass die Regierungschefs dem EP den EU-Kommissionspräsidenten vorschlagen. Politisch haben sich die Dinge mit dem Zutun fast aller EU-Staats- und Regierungschefs aber nun mal anders entwickelt als die Idee der Spitzenkandidaten ausgeheckt und umgesetzt wurde. Das Resultat wird der Brite jetzt hinnehmen müssen.

Der Schuss ging für Cameron nach hinten los, denn nur weil er seine Ablehnung gegen Juncker derart hochstilisiert hat, wird er umso härter bei der morgen zu erwartenden Abstimmungsniederlage auch innenpolitisch auf die Nase fallen. Von einem britischen Premierminister, der keine Verbündeten in der EU findet, um den kleinen Luxemburger zu verhindern, wird wohl kaum erwartet, dass er es fertigbringt, die 27 anderen EU-Staaten davon zu überzeugen, Großbritannien einen Sonderstatus innerhalb der Union einzuräumen. Denn das hat Cameron seinen Briten versprochen, damit sie ihm im kommenden Jahr bei den Unterhauswahlen ein weiteres Mandat geben.

Kommissionspräsidenten direkt wählen

Damit in fünf Jahren aber nicht wieder dieselben Diskussionen geführt werden müssten, sollte sich die Frage gestellt werden, ob der Kommissionspräsident nicht per Direktwahl gleichzeitig mit den Wahlen zum Europäischen Parlament bestimmt werden soll. Immerhin waren die fünf größten Parteien in Europa damit einverstanden, Spitzenkandidaten für den Posten aufzustellen und dem Wahlgewinner den Vorzug zu lassen. Was indirekt auf das Gleiche hinausläuft.

Eine Direktwahl wäre jedoch ein Quantensprung, denn ein derart legitimierter Kommissionspräsident stünde selbst über einem Gremium wie dem Europäischen Rat, dem die Staats- und Regierungschefs angehören. Und die dafür notwendige Vertragsänderung wird mit diesen wohl kaum zu haben sein.