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Undurchsichtige Politik

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Europa steht wieder vor einem langen Sommer. Vorrang hat jetzt der Urlaub, zu Hause oder irgendwo weit weg von den kleinen und großen Sorgen.

Welche immer mitreisen, das wussten schon die Alten, wie u.a. ein Brief von Seneca an Lucilius verdeutlicht. Aber, wirft nun der Psy ein, Verdrängung darf sein, ist manchmal sogar notwendig, denn wir Menschen sind keine Maschinen, die pausenlos Höchstleistung bieten können. Aber der vernünftige Zeitgenosse sollte auch während der Ferien Interesse für die politische, wirtschaftliche und soziale Großwetterlage aufbringen. Also, liebe Tageblatt-Leser: Die Zeitung ist als e-paper überall und immer verfügbar, und tageblatt.lu garantiert laufend die schnelle und gründliche Versorgung mit Nachrichten, Hintergrund und Kommentaren.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Zum Beispiel über die katastrophalen Folgen der geopolitischen Auseinandersetzung um die Ukraine zwischen dem Westen unter US-Führung und Russland. Der Flugzeugabschuss vom 17. Juli ist ein flagranter Beweis dafür, dass der Konflikt, bei dem es letztlich nicht um Demokratie, sondern um die osteuropäische Machtzone und die dortigen Märkte geht, außer Kontrolle geraten ist. Wobei sich, nicht nur am Rande, die Frage stellt, wieso Touristencargos Kriegsgebiete überfliegen, als gingen die blutigen Kämpfe am Boden sie nichts an. Der Umweg wäre gewiss teurer, und die Aktionäre wollen ja nicht weniger Dividenden, sondern mehr.

Es gab seit den Jugoslawienkriegen viele Grenzbegradigungen auf dem alten Kontinent: Warum lehnen die USA und die EU in dieser Frage jede politische Lösung ab, welche die Kiew-Ukraine zu einem ethnisch, kulturell und sprachlich kohärenten Staat machte? Ist es denn nicht so, dass die nach der Lenin-Revolution zusammengebastelte Ukraine nie als ein unabhängiges Land geplant war, sondern lediglich als Bestandteil der inzwischen aufgelösten Sowjetunion?

In unvergleichlich schrecklicherem Ausmaß offenbaren sich die Folgen der gescheiterten Politik des Westens in Nahost. Israel lernt nicht aus den Erfahrungen seines Volkes und seiner Geschichte, es hört auf niemanden mehr und begeht an den Palästinensern Verbrechen, die durch nichts zu rechtfertigen sind. – Syrien, der Irak, kurdische, grenzüberschreitende Gebiete, Iran, Afghanistan, Ägypten, die Emirate, Saudi-Arabien und natürlich auch der Libanon und Jordanien sind offen oder implizit in das wirtschaftliche und militärische Ringen um das Öl eingebunden; auch dort, wie inzwischen fast überall auf der Welt, geht es nicht um Demokratie, sondern um Macht und Märkte.

Europa, unser Europa, jenes der 28, von denen einige besser noch in der Warteschlange stünden, aus politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gründen, hat soeben, mit dem unseligen Investiturstreit zwischen Parlament und Rat, seine historische Chance verpasst. Eine politisch einige EU wäre, mit der Leistung ihrer 500 Millionen Menschen, in der Lage, sich selber sozialgerecht und fortschrittlich zu ordnen und auf Lösungen für die dringlichen Probleme der Menschheit (Frieden, Bildung, Klima, Hunger) zu drängen.

Man genieße die Auszeit

Aber nach dem Schulz-Juncker-Durchmarsch sind zwischen den Mitgliedstaaten und deren gewählten Präsidenten oder Regierungschefs so viele alte Wunden aufgebrochen, dass die nächsten Jahre mit Reibereien, Rivalitäten und Einzelgängen vertan werden.

Juncker kann einem fast leidtun: Er sitzt zwischen allen Stühlen, ist überall auf wechselnde Mehrheiten angewiesen und muss Dauerbefeindungen ertragen.

Und er wird von seinen Promotern, allen zuvorderst Deutschland, auch daran gemessen werden, wie weh er dem inzwischen so verhassten Steuerparadies Luxemburg tun kann, an dessen Konstruktion er anscheinend maßgeblich beteiligt gewesen sein soll. Die DP-LSAP-Gréng- Regierung wäre gut beraten, wenn sie die Abwehr bestens vorbereitete.

Aber das tut sie vielleicht schon, und sagt es nur nicht. Darauf vertrauend (?) leiste man sich die verdiente Auszeit!

(Alvin Sold)