Doch seit geraumer Zeit hat sich die Tonlage geändert. Die EU hat Wirtschaftssanktionen gegen russische Unternehmen ausgesprochen. Im Gegenzug hat dann auch Russland Sanktionen „gegen den Westen“ ausgesprochen. Es geht zu wie im Kindergarten: „Du willst mir dein Spielzeug nicht geben – dann darfst du auch nicht mehr mit meinem spielen.“ Doch es ist ein Spiel mit dem Feuer. Es entsteht ein regelrechter Handelskrieg. Um die Ukraine geht es kaum noch.
" class="infobox_img" />Christian Muller cmuller@tageblatt.lu
Wer andere wirtschaftlich bestraft, bestraft immer auch sich selbst. Die europäischen Sanktionen gegen Russland werden langfristig vor allem der europäischen Wirtschaft schaden. Die russischen Konzerne, die von den Sanktionen betroffen sind, werden sich neue Finanzierungsquellen suchen. In Asien freut man sich bereits über die zahlungskräftige Kundschaft – die in Europa nicht mehr erwünscht ist. Je länger die Sanktionen andauern, je mehr werden sich die russischen Konzerne an neue Finanzzentren gewöhnen. Ob sie nachher wieder nach Luxemburg zurückkommen werden, um ihre Anleihen auszugeben?
Andere Länder der Welt lachen sich ins Fäustchen. Länder wie China, Indien, die Türkei und Brasilien freuen sich auf neue Geschäfte. Jahrelang haben sie – ohne Erfolg – für eine Öffnung des russischen Marktes gekämpft. Nun passiert es. Und nicht einmal alle „westlichen“ Staaten (Türkei, Schweiz) beteiligen sich an den Wirtschaftssanktionen. Auf der anderen Seite beteiligen sich die strategischen Partner Russlands (Kasachstan und Weißrussland) ebenfalls nicht an den Maßnahmen gegen den Westen.
Verhärtete Fronten
Verlierer sind die russische und die europäische Wirtschaft – und langfristig somit auch die Bürger. Beide haben mit mauem Wirtschaftswachstum zu kämpfen und würgen die Konjunktur nun aus politischen Gründen absichtlich weiter ab. Es sind aber nicht nur die Exporte aus Europa, die einbrechen. Gleichzeitig verbucht Russland eine Kapitalflucht in Milliardenhöhe. Und es werden – wegen der Ungewissheit – weder russische Investitionen in Europa noch europäische Investitionen in Russland getätigt.
Dabei sind die Hintergründe der Gräueltaten nach wie vor nicht geklärt: Es ist unklar, wer den Schießbefehl auf dem Maidan gegeben hat, und auch die Hintergründe des Flugzeugabschusses liegen nach wie vor im Dunkeln. Das politisch verfolgte Ziel wird mit den Wirtschaftssanktionen nicht erreicht werden. Sie sorgen auf beiden Seiten für verhärtete Fronten. Schuld an der wirtschaftlichen Misere sind nun nicht mehr nationale Politiker, sondern der ehemalige Feind.
Die EU hingegen zahlt 125 Millionen Euro an Steuergeldern als Entschädigung an die Bauern. An den russischen Staat richten die betroffenen Unternehmen Anfragen für Zwischenfinanzierungen. Als ob es – bei beiden – keine bessere Verwendung für diese Gelder gäbe.
Nur noch vage erinnert man sich heute an Slogans wie „Wandel durch Handel“. Dass die EU mal ein Freihandelsabkommen mit Russland geplant hatte, scheint komplett vergessen. Auch scheint vergessen, dass es in Europas Interesse ist, dass sich auch Russland zu einem wohlhabenden (und somit stabilen) Land wandelt.
Ganz egal, was man nun von der Politik des Landes oder vom russischen Präsidenten hält, Wirtschaftssanktionen sind nicht der richtige Weg. So richtig konsequent will sowieso niemand sein: Europa ist langfristig auf Energie-Importe aus Russland angewiesen – und Moskau braucht die Devisen. Zudem gibt es kaum historische Beispiele von erfolgreichen Wirtschaftssanktionen. Sie schaffen Armut, aber keinen politischen Wechsel – siehe Kuba. Sollte man die Sanktionen gegen den Iran als erfolgreiches Vorbild sehen, dann müsste man sich auf viele Jahre Konflikt, Streit und menschliches Leid einstellen.
Besser wäre es, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und offen miteinander zu reden. Wirtschaftssanktionen sind dabei nicht hilfreich. Sie entfremden zwei Regionen, die direkte Nachbarn sind. Leider deuten die aktuellen Nachrichten aus der Ukraine – entgegen aller Vernunft – nicht auf eine baldige Entspannung hin.
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