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Eine Allianz ohne Lösung

Eine Allianz ohne Lösung

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Die großen Knoten des syrischen Dramas sind immer noch nicht gelöst: Vor einem Jahr debattierte die Weltöffentlichkeit über eine militärische Intervention – die USA entschieden sich am Ende dagegen.

Heute sieht die Situation ähnlich aus. Dafür hat sich das von Machtinteressen, Blutvergießen und humanitärem Leid geprägte Gesamtgefüge zu einer fast unlösbaren Aufgabe entwickelt. Das russisch-chinesische Veto im UN-Sicherheitsrat und die Unterstützung durch den Iran machen aus einem direkten Angriff auf das Assad-Regime immer noch ein undenkbares Unterfangen.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Das geostrategische Taktieren in der Region, die syrisch-irakische Krise und die neue Allianz, die sich im Kampf gegen den IS-Terror zusammengefunden hat, sind zudem bezeichnend für eine verfahrene Situation, in der Assad immer noch das Zünglein an der Waage ist. Washington ist in der Falle und sieht sich mit folgender Situation konfrontiert: Angriffe gegen den Islamischen Staat stärken Assad, eine militärische Intervention gegen Syriens Präsident wäre wiederum ein Freifahrtschein für den IS, die Al-Nusra-Front und weitere Terrorgruppen. Ganz zu schweigen von dem Affront, den diese Intervention für die amerikanischen Verhandlungspartner in Moskau und Teheran darstellen würde. Mit beiden Ländern muss Washington auf unterschiedlichen Parketten – Ukraine-Konflikt und Atom-Verhandlungen – Fingerspitzengefühl beweisen.

Eine Frage der Schadensbegrenzung

Die aktuellen Einsätze gegen den Islamischen Staat dienen somit lediglich der Schadensbegrenzung und haben wenig mit der internationalen Schutzverantwortung zu tun. Wieder einmal wurde auf dem Rücken eines Landes gepokert. Die USA, die Golf-Staaten, die Türkei, der Iran, Russland, sie alle und viele mehr haben die unterschiedlichen Konfliktparteien Syriens mit Kämpfern, finanziellen Mitteln und Waffen ausgerüstet. Mal halbherzig, mal massiv, je nach Interessenslage und Entwicklung der Gefechte. Dass sich nun Sunniten und Schiiten in einer von den USA initiierten Allianz aus Angst vor dem IS zusammenfinden, ist nur die halbe Wahrheit. Ja, viele haben zu lange gepokert und sind nicht am weiteren Erstarken der Terrormiliz interessiert. Doch gilt dies auch für Staaten wie Saudi-Arabien? Das ist zu bezweifeln. Trotz der punktuellen, oberflächlichen Annäherung an den historischen Rivalen Iran sieht Riad durch seinen Koalitionsbeitritt auch die Chance, die USA nicht nur zu einem militärischen Einsatz gegen den IS, sondern auch gegen Assad zu bewegen. Die Saudis und andere arabische Player verstehen die Widersprüche und Zwänge der amerikanischen Außenpolitik bestens. Denn die „moderaten“ syrischen Kämpfer, die von Washington – in Saudi-Arabien – trainiert werden, kämpfen nicht nur gegen den IS. Sie schließen sich aufgrund einer ausbleibenden Unterstützung des Westens oft anderen Terrorgruppen in Syrien an, mit denen sie ein Ziel verbindet: der Sturz von Assad. Und niemand kann sie daran hindern, sobald sie nach ihrer Ausbildung bei den Saudis auf die syrischen Schlachtfelder zurückkehren. Obschon der Sturz von Assad mittlerweile auch für westliche Staaten ein Worst-Case-Szenario darstellt, ist er nicht unrealistisch. Die Saudis oder Ankara arbeiten seit langem daran. So könnte man auf einen Schlag den syrischen Autokraten loswerden und den regionalen Erzfeind Iran samt Hisbollah-Gefolge schwächen.

Dass die Anti-IS-Allianz Menschenleben rettet, indem die IS-Milizen ähnlich wie in der Mali-Intervention zurückgedrängt werden, ist aus Sicht vieler eiskalt berechnender Staaten ein positiver Nebeneffekt. Man sollte sich nichts vormachen: Die Komplexität der unterschiedlichen Machtspiele verwandelt die Allianz in ein schwer aufeinander abstimmbares Bündnis. Es fehlt aufgrund nationaler Eigeninteressen an Mitteln und allem voran an politischen Lösungen für das seit 2003 nicht enden wollende irakische Desaster und den syrischen Bürgerkrieg.