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Nachfrage stärken

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Die Welt ist dermaßen aus den Fugen geraten, dass man sich kaum noch an das erinnern kann, was vor einem Jahr passiert ist.

Oder sind Sie sich noch bewusst, dass im Oktober 2013 während der alljährlichen Sitzungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds in New York das Ende der Krise der Eurozone ausgerufen wurde? Wohl eher nicht.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Vielleicht hat dies damit zu tun, dass einem nicht so recht vermittelt wurde, was während dieser besagten Zeit wirklich endete. Denn die Arbeitslosigkeit, die Rezession, die Wut der Bürger und das damit verbundene Aufkommen populistischer Lösungsvorschläge – um nur diese zu nennen – sind weiterhin von einer brennenden Aktualität in vielen Ländern dieses Kontinents.

Das Einzige, das endete, sind die Investoren-Angriffe auf die Eurozone als Währungsraum – und auch dies könnte schnell wieder Vergangenheit sein, wenn das Vertrauen in die Eurozone als Wirtschaftsraum verschwinden würde. So hat sich denn seitdem der Fokus der medialen Aufmerksamkeit langsam in Richtung fehlendes Wirtschaftswachstum gedreht.

Die Politiker Europas brauchten länger – bis nach den Europawahlen –, um sich überhaupt mit diesem Thema öffentlich zu beschäftigen. So als hätten sie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren, überhaupt den Motor der Wirtschaft wieder anschmeißen zu können – irgendwo droht ja auch immer die nächste Wahl, und da scheint es stets besser zu sein, lieber nichts zu unternehmen.

Andererseits weiß jeder, dass man mit Argumenten für eine öffentlich finanzierte Investitionspolitik in Europa, im Sinne der Verbesserung der Nachfrage, weiterhin auf Granit bei den bestimmenden Kreisen in Deutschland beißt.

Noch immer geht die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland davon aus, dass die Peripherie Europas allein nach dem Prinzip des Gesundschrumpfens wieder auf die Beine kommen könnte. Nur: Man kann sich nicht am eigenen Zopf aus dem Schlamassel ziehen, wenn man diesen permanent wieder abschneidet.

Irgendwie möchte man jenseits der Mosel nicht an dem Dogma rütteln, dass Europas Länder nur alle an der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu arbeiten hätten, damit die Konjunktur wieder zum Laufen kommt.

Diese Logik – ohne glückliches Ende – wird zudem auch noch von der neuen, allen Angst machenden Partei AFD befeuert. Allein dieser Umstand dürfte Angela Merkels Optionen einschränken. Bislang musste sie nämlich nicht allzu viele politische Probleme im Falle eines Politikwechsels – weg von der Austerität, hin zu Investitionen – befürchten.

Luxemburger Langfinger aus D.

Dabei fordert sogar die deutsche Industrie mittlerweile mehr öffentliche Investitionen – und in ihrem Zuge hat wohl auch die hiesige Fedil ihren Diskurs geändert. Es scheint hier Schluss mit dem ewig gleichen Mantra zu sein, das in den vergangenen Jahren gebetsmühlenartig stets die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit predigte.

Noch wird sich allerdings heftigst in Berlin und München dagegen gewehrt.

So liest man in der neuesten Spiegel-Ausgabe von den «Luxemburger Langfingern» über den Versuch der zukünftigen Juncker-Kommission, Gelder via die ungenutzten Mittel zur Bankenrettung für ein 300 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket zusammenzubekommen. Juncker hätte im Verbund mit den Chefs des ESM und der EIB, Klaus Regling und Werner Hoyer, diesen Plan bei Merkel vergeblich vorgetragen.

So schnell können zwei Deutsche in den Augen des Spiegel – und wohl nicht nur dort – ihre Staatsangehörigkeit verlieren, wenn sie gegen das offizielle Dogma aus Berlin verstoßen.