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Sie tun es immer noch

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Immerhin ein Erzbischof wurde unlängst im Vatikan in Arrest genommen. Der Pole und katholische Würdenträger Jozef Wesolowski hatte offensichtlich in der Dominikanischen Republik, wohin der Vatikan ihn als Nuntius entsandt hatte, seinen "Spaß" mit minderjährigen Jungen.

Der Arrest im Vatikan erscheint denn auch eher als Schutzhaft: Die UN-Folterkommission forderte bereits eine harte Bestrafung, die Wesolowski in der Vatikanstadt wohl weitaus weniger spürt, als dies etwa im Land seiner unappetitlichen Taten der Fall gewesen wäre. Ein Auslieferungsabkommen zwischen dem Vatikan und der Dominikanischen Republik gibt es nicht, ebenso wenig wie zwischen dem römischen Stadtstaat und Polen …

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Nur einen Tag später setzte der Papst einen argentinischen Bruder, den langjährigen Bischof der Diözese Ciudad del Este in Paraguay, Livieres Plano, ab – aus «seelsorgerischen Gründen», wie es hieß.

In der Tat sorgte auch dieser hohe Kirchenmann sich weniger um die Seele als um real existierende Körperteile junger Männer. Er missbrauchte junge Seminaristen während eines USA-Aufenthaltes.

Sechs Jahre nach seiner Tat suchte – so die offizielle Version des Bistums Luxemburg – der Pfarrer von Belair-Merl-Cessingen Erzbischof Hollerich auf und gestand ihm den Missbrauch einer «minderjährigen Person», der im Jahr 2008 stattgefunden hat. Anschließend erstattete der Pfarrer vergangene Woche Selbstanzeige, wurde verhört, verbrachte eine Nacht in Untersuchungshaft und befindet sich dem Vernehmen nach inzwischen im benachbarten Ausland in einem Kloster bzw. einer Abtei. Ob die provisorische Freilassung auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass es sich um einen Pfarrer handelt, oder ob die Tat nicht nach längerer U-Haft verlangt, wissen wir nicht, da hierüber sowohl aufseiten der Kirche als auch der Justiz Stillschweigen herrscht.

Überfällige Trennung

Der Zeitpunkt war nicht gerade günstig, da die katholische Organisation «Fir de Choix» just zu dem Zeitpunkt mit einer Unterschriftenaktion, die sie monatelang vorbereitet hatte, ein Einlenken der Regierung in der Frage des Religionsunterrichtes in den Schulen erreichen wollte (die Regierungserklärung sieht vor, dass dieses Fach abseits aller wissenschaftlicher Erkenntnisse endlich aus den Programmen der öffentlichen Schulen verschwinden wird).

Ganz abgesehen hiervon stellt sich die Frage, ob die katholische Kirche in Luxemburg, als 2010 die ersten Fälle pädophiler Übergriffe bekannt wurden, hart genug gegen die Täter aus den eigenen Reihen vorging und milde genug gegenüber den Opfern reagierte. Die Barmherzigkeit hielt sich damals in Grenzen, und da die Verjährungsfrist bei zehn Jahren liegt, konnten die Täter juristisch damals nicht mehr belangt werden.

Die Opfer, die praktisch alle ein Leben lang psychisch unter dem teils Jahrzehnte zurückliegenden Missbrauch leiden, wurden mit vergleichsweise lächerlichen Entschädigungen abgespeist. Eine Hotline wurde eingerichtet; allerdings scheuten sich viele der wehrlosen, weil jungen Opfer damals, sich an jene Institution zu wenden, die sie gequält hatte.

Die Frage ist müßig, ob der Merl-Belairer Pfarrer sich bereits 2010 gemeldet hätte, wenn diese Reaktion klarer ausgefallen wäre.

Die Strukturen der Kirche (Zölibat, strenge Hierarchie, implizite Frauenfeindlichkeit) sind die gleichen geblieben und werden sich auch unter dem Jesuiten Franziskus kaum vorteilhaft ändern. Der Verein scheint grundlegend nicht reformfähig zu sein.

Dem Ausmaß des Leidens, das Kirchenmänner als oft ungesühnte Schuld auf sich luden, wird man auch mit wiederholt verbreiteten Hirtenbriefen (wie am Sonntag wieder geschehen) nicht gerecht.

Zur plastischen Illustrierung nachfolgend Auszüge eines von zahlreichen Schreiben, die wir 2010 erhielten, nachdem wir über wiederholten Missbrauch im Arloner Internat ISMA (von vielen Luxemburgern besucht) berichtet hatten: «Moien Här Schneider, et ass wuel dee wichtegste Bréif a mengem Liewen, deen ech Iech hei schreiwen. Ech si 45 Joer al, wor vun 1975 bis 1984 zu Arel am Internat. Nodeem ech Ären Artikel vum 23.3.2010, ‹Physisch, psychisch und sexuell missbraucht›, gelies hunn, si mir d’Tréine komm. Ech wor vun 1986 bis 2000 schwéierst tablettenofhängeg, wor och psychiatresch hospitaliséiert a leiden haut ëmmer nach un deem Erlieften.

Professionell … a privat sinn ech zwar gutt ukomm, dat eent schléisst dat anert alt net aus! … Sollt ech sämtlech Grausamkeeten, bei deenen ech dobäi wor, erzielen, bräicht ech dofir eng ganz Woch.»