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Familie heute

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Ein Jahr ist schnell vorbei. Glaubten wir, erst gestern hätten wir am Grab unserer Verstorbenen gestanden, so machte der Pfarrer an diesem Wochenende schon wieder das, wofür er bezahlt wird.

Doch es ist beileibe nicht der Auftritt des Mannes im Goldgewand, der mich dieser Tage zum Nachdenken brachte, auch nicht die Stille vor der Marmorplatte, sondern der Blick auf die dort angebrachten Namen meines Vaters, meiner Mutter, meiner Großeltern, der Blick darüber hinweg und damit die Sicht auf die anderen Familien, die sich vor dem Blumenschmuck versammelt hatten.

Roger Infalt rinfalt@tageblatt.lu

Familie!? Sie ist vielfältiger geworden. Und schwieriger. Schon oft wurde sie zum Auslaufmodell erklärt. Dabei bleibt sie für viele unverzichtbar. An Festtagen spürt man das besonders.

Familie! Geborgenheit! Vertrauen! Nähe! Intimität! Für Kinder ist dies elementar, um Kompetenzen zu entwickeln und Handlungspotenzial zu erwerben, das sie auf das gesellschaftliche Leben vorbereitet. In der Familie sollen die Grundwerte unserer Gesellschaft von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Familie! Diese Bezeichnung steht u.a. für Partner, Eltern, Kinder, Kindeskinder, Geschwister, Großeltern, betreuende und betreute Angehörige. Ja selbst wenn sie räumlich getrennt sind, halten Familien zusammen. Ausnahmen gibt es leider auch. Vielleicht sogar mehr denn je.

Wenn uns die Familie trotz der heutigen „Modernität“ – im Normalfall – so viel wert ist, warum tun wir uns dann so schwer damit, sie zu pflegen? Warum sehen in Dänemark 90, in Spanien 49, in den Niederlanden 47 und, im Gegensatz dazu, in Luxemburg lediglich 15 von 100 Befragten ihr Land als kinderfreundlich an?

Diese wenigen Zahlen dokumentieren das eigentliche Grundproblem. Die Familienpolitik gehört in den Mittelpunkt unserer Gesellschaftspolitik und unserer Zukunftspolitik. Wir müssen die elementare Frage, was Familien, was Kinder, aber auch die Familien für ihr Zusammenleben und für ihre Lebenssituation über Generationen hinweg brauchen, in unser alltägliches Denken integrieren.

Warum müssen sich Familien – um nur dieses Beispiel zu nehmen – ständig an die Arbeitswelt anpassen? Warum können wir diese Situation nicht umkehren und die heutigen Möglichkeiten der Flexibilität in der Arbeitsorganisation nicht konsequenter für die Anpassung der Arbeitswelt an die Bedürfnisse der Familie nutzen? Verkennen wir schlichtweg die Prioritäten einer Gesellschaft? Sind wir wirklich derart dumm geworden?

Dass wir darüber hinaus eine grundsätzliche Debatte über die Bewertung der familienpolitischen Leistungen brauchen, zeigt sich einmal mehr in der jetzigen Debatte zum Thema Kindergeld gepaart mit Kinderbetreuung.
Was waren denn bis dato die Maßstäbe für die Beurteilung und Bewertung familienpolitischer Leistungen? Die Zahl der Kinder? Die Zahl der berufstätigen Mütter? Die Zahl der Plätze in den Kindertagesstätten?

Das, was über viele Jahre in puncto Familienpolitik in unserem Land geschehen oder eben nicht geschehen ist, offenbart eine erschreckende Perspektive.